Rz. 27

Die durch einen Umwandlungsvorgang begünstigungsfähigen Erwerbsvorgänge setzen voraus, dass an diesem Umwandlungsvorgang ausschließlich entweder das herrschende Unternehmen und eine oder mehrere von diesem abhängige Gesellschaft(en) oder mehrere von dem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6 a S. 3 GrEStG).

§ 6 a S. 4 GrEStG definiert den Begriff des abhängigen Unternehmens. Danach ist eine Gesellschaft i. S. v. S. 3 abhängig, an deren Kapital das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist. Bei einem ausländischen Rechtsträge wird die Gesamtstruktur der ausländischen Rechtsform mit den wesentlichen Strukturmerkmalen der inländischen Gesellschaften verglichen (Rechtstypenvergleich, vgl. FG Düsseldorf v. 4.5.2023, 11 K 2851/21 GE, EFG 2023, 941, Revsion: II R 14/23).

Die ursprüngliche Formulierung "Beteiligung am Kapital" hat die Frage aufgeworfen, ob als abhängige Gesellschaften sowohl Kapitalgesellschaften als auch Personengesellschaften infrage kommen. Formaljuristisch gesehen sprach die Formulierung in der Tat eher dafür, den Anwendungsbereich auf Kapitalgesellschaften zu beschränken, da es zivilrechtlich eine "Beteiligung" an einer Personengesellschaft nicht gibt. Bei den Personengesellschaften kommt es nicht auf die dingliche Mitberechtigung, sondern auf die wertmäßige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen an. Mit der rückwirkenden Ergänzung des § 6 a GrEStG um den Begriff des Gesellschaftsvermögens ist diese Diskussion beendet. Auch Personengesellschaften können nunmehr abhängige Gesellschaften sein, und zwar seit dem 1.1.2010, weil der Gesetzgeber hier eine rückwirkende Anwendung ermöglicht hat.

Im BGBl I 2011 Nr. 30 v. 25.6.2011, 1126 ist das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren vom 22.6.2011 verkündet worden. Art. 12 Nr. 1 ergänzt § 6 a S. 4 GrEStG dahingehend, dass die 95 %-Beteiligung neben dem Kapital einer Gesellschaft auch an dem Gesellschaftsvermögen eines Unternehmens bestimmt werden kann. Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass Personengesellschaften vom Anwendungsbereich des § 6 a GrEStG ebenfalls erfasst werden (vgl. Gesetzesbegründung).

Die Neufassung ist auf alle nach dem 31.12.2009 verwirklichten Erwerbsvorgänge anzuwenden. Die Gesetzesänderung bestätigt die bisherige Verwaltungsauffassung und sorgt damit für Rechtssicherheit.

Wie sich die erforderliche Beteiligung des herrschenden Unternehmens zusammensetzt, d. h., ob diese unmittelbar, mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar besteht, ist unbeachtlich.

Das Grunderwerbsteuergesetz enthält in § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 GrEStG und in § 6 a S. 3 und 4 GrEStG nunmehr grunderwerbsteuerrechtlich eigenständige Abhängigkeitsdefinitionen, wobei § 6 a S. 4 GrEStG strengere Anforderungen festschreibt, weil nicht nur eine höhere Beteiligungsquote, sondern auch zeitliche Kriterien (fünf Jahre vor und nach dem Rechtsvorgang) erfüllt sein müssen. Auf der anderen Seite werden aber – anders als § 1 Abs. 4 Nr. 2 GrEStG – auch Personengesellschaften als abhängige Gesellschaften miteinbezogen. Daher ist es möglich, dass eine Umwandlung den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 GrEStG erfüllt, ohne dass wegen einer fehlenden Abhängigkeit i. S. d. § 6 a S. 4 GrEStG die Vergünstigungsvorschrift des § 6 a GrEStG Anwendung findet.

 

Rz. 27a

Das Verhältnis der unterschiedlichen Abhängigkeit von § 6 a GrEStG und § 1 Abs. 4 GrEStG zueinander soll nachfolgendes Beispiel verdeutlichen:

 
Praxis-Beispiel

Die M-AG (M) ist zu 60 % an der T2 GmbH (T2) und zu 75 % an der T1-GmbH (T1) beteiligt. T2 hält an T1 25 %. Die Beteiligungssituation ist seit mehr als 5 Jahren unverändert. T1 soll auf M verschmolzen werden.

Der Grundbesitz der T1 ist aufgrund des bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses der T2 zur M der M grunderwerbsteuerlich zuzurechnen. Es besteht eine grunderwerbsteuerliche Organschaft mit M als Organträgerin und T2 als Organgesellschaft. In diesem Organkreis vereinigen sich 95 % der Anteile an der T1 (sog. wirtschaftliche Anteilsvereinigung). Würde nun die T1 auf die M upstream verschmolzen, stellt sich die Frage, ob für die dadurch nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ausgelöste Grunderwerbsteuer eine Befreiung nach § 6 a GrEStG eingreift. An der Verschmelzung sind das herrschende Unternehmen M und mindestens ein abhängiges Unternehmen (T2) i. S. v. § 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG beteiligt. Allerdings verlangt § 6 a S. 4 GrEStG für die "Abhängigkeit" i. S. d. neuen Steuerbefreiung eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung am Kapital der Gesellschaft von mindestens 95 %. Mittelbar hält die M 95 % an der T1, allerdings über ein Abhängigkeitsverhältnis i. S. v. § 1 Abs. 4 GrEStG. Der Wortlaut des Satzes 4 d...

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