Rz. 4

Beim Übergang eines Grundstücks aus dem gesamthänderisch gebundenen Vermögen in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten natürlichen oder juristischen Person (Gesamthänder) wird die Steuer nach § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Erwerber an dem Vermögen der Gesamthand – ggf. Auseinandersetzungsanteil – beteiligt ist. Die Umwandlung von Gesamthandseigentum in Bruchteilseigentum und umgekehrt ist daher dann nicht steuerpflichtig, wenn die Beteiligten nach der Umwandlung in gleichem Umfang an dem Grundstück berechtigt sind wie vor der Umwandlung. § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG entspricht damit § 5 Abs. 2 GrEStG für einen Grundstücksübergang in umgekehrter Richtung. Auch hier wird grunderwerbsteuerrechtlich – ungeachtet der Eigenschaft der Gesamthand als selbstständiger Rechtsträger – zugunsten des erwerbenden Gesamthänders berücksichtigt, dass er bereits in gesamthänderischer Verbundenheit dinglich am Grundstück beteiligt war.

Die Vergünstigung des § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG gilt nicht nur, wenn ein Grundstück im Ganzen auf den beteiligten Gesamthänder zu Alleineigentum übergeht, sondern findet auch Anwendung, wenn ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück in das Alleineigentum des Gesamthänders überführt wird. Diese Gleichbehandlung ist darauf zurückzuführen, dass der Miteigentumsanteil an einem Grundstück nach § 2 Abs. 1 S. 1 GrEStG dem Alleineigentum gleichsteht (vgl. § 2 GrEStG Rz. 3ff.).

Ebenso wie bei § 6 Abs. 1 S. 1 GrEStG ist es auch für die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG ohne Bedeutung, ob der Erwerber nach dem Erwerb des Grundstücks bzw. eines Miteigentumsanteils am Grundstück zu Alleineigentum an der übertragenden Gesamthand beteiligt bleibt. Zu beachten sind jedoch auch hier die Beschränkungen des § 6 Abs. 4 GrEStG, der eine Mindestzeit für die Dauer der Beteiligung des Erwerbers an der übertragenden Gesamthand vor dem Erwerbsvorgang verlangt (vgl. hierzu Rz. 20ff.).

Die Vergünstigung des § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG ist ausgeschlossen, wenn sich der Erwerb der Gesamthandsberechtigung und der Erwerb des Grundstücks von der Gesamthand zusammen in einem Rechtsakt vollziehen (BFH v. 25.3.1992, II R 46/89, BStBl II 1992, 680). Hier mangelt es an der notwendigen bereits vor dem Erwerb bestehenden Gesamthandsberechtigung, die sich in Form des Alleineigentums fortsetzen könnte. Praktisch wird diese Problematik bei sog. Bauherrenmodellen im Fall der Verknüpfung des Erwerbs des Anteils an der Gesamthand mit dem Erwerb eines Grundstücks. Hier wird häufig vereinbart, dass beim Ausscheiden des Anteilserwerbers aus der Gesamthand oder bei deren Auflösung der Anteilsinhaber anstelle eines Anspruchs auf das Auseinandersetzungsguthaben einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks erhält (vgl. BFH v. 1.12.2004, II R 23/02, BFH/NV 2005, 722; FG Köln v. 15.2.1989, 11 K 54/86, EFG 1989, 304). Eine Grunderwerbsteuer wird durch den Erwerb des Anteils an der Gesamthand allerdings nicht ausgelöst, wenn dieser Anteil nicht untrennbar mit einem auf ein Grundstück gerichteten Übereignungsanspruch verbunden ist und die Sperrfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG gewahrt ist (vgl. BFH v. 18.8.1993, II R 51/91, BStBl II 1993, 879).

 

Rz. 4a

Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG kommt auch zum Tragen, wenn in einer zweigliedrigen Gesamthand die Übernahme des Geschäfts ohne Liqidation mit Aktiva und Passiva vereinbart wird und das Gesamthandsvermögen dem Übernehmenden anwächst oder bei einer mehrgliedrigen Gesamthand ein Gesamthänder alle Anteile der Gesamthand übernimmt und die Gesellschaft dadurch untergeht und dem Übernehmenden das gesamthänderisch gebundene Vermögen anwächst. Insoweit liegt ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang vor (BFH v. 5.11.2002, II R 86/00, BFH/NV 2003, 344).

 

Beispiel 1:

D und E sind Gesellschafter einer Personengesellschaft und an deren Vermögen (u. a. ein Grundstück) zu jeweils 50 % beteiligt. Am 31.12.2009 wird die Gesellschaft nach einem Beschluss vom 30.9.2009 einvernehmlich aufgelöst. D scheidet daraufhin aus der Gesellschaft aus. E wächst das Gesellschaftsvermögen an.

Mit der Anwachsung geht das Eigentum des Grundstücks vollumfänglich auf den E über. Dieser Vorgang ist zunächst steuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Denn es tritt ein Rechtsträgerwechsel ein. Unerhoben bleibt indes der Anteil, an welchem E bereits bisher an dem Grundstück beteiligt war, mithin die Hälfte (§ 6 Abs. 2 S. 1 GrEStG).

 

Beispiel 2:

A, B und C sind zu je 1/3 an der OHG X beteiligt. Die Gesellschafter B und C scheiden aus der OHG aus, wobei das Vermögen der OHG dem A zuwächst.

Mit dem Ausscheiden von B und C und der Anwachsung des Vermögens der OHG auf A wird der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Die Grunderwerbsteuer bleibt in Höhe der Beteiligung des A an der untergegangenen OHG X, also zu 1/3 unerhoben.

Die Vergünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG ist auch anwendbar, wenn im Wege der Anwachsung alle An...

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