Rz. 40

Das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung i. S. d. ErbStG setzt – objektiv betrachtet – die Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden und – subjektiv gesehen – den Willen des Zuwendenden zur Freigebigkeit voraus. Der erbschaftsteuerliche Schenkungsbegriff deckt sich damit nicht mit dem bürgerlich-rechtlichen Begriff der Schenkung, die lediglich verlangt, dass sich Schenker und Beschenkter über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind (§ 516 Abs. 1 BGB). Der in § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG verwendete Begriff "Grundstücksschenkungen unter Lebenden" ist nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift nur isolierte freigebige Zuwendungen von Grundstücken erfasst. Die Vorschrift hat den Zweck, die doppelte Belastung eines Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer und Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer zu vermeiden. § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG ist auch auf Anteilsübertragungen von Kapitalgesellschaften anwendbar. Der fiktive Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke beruht in gleicher Weise wie der Erwerb der Gesellschaftsanteile auf einer Schenkung (vgl. dazu auch FG Düsseldorf v. 21.8.2017, 7 K 471/17).

Liegen bei einem Grundstückserwerb die Merkmale einer Schenkung unter Lebenden i. S. d. § 7 ErbStG vor, so ist dieser Erwerb nach § 3 Nr. 2 GrEStG insoweit von der Grunderwerbsteuer befreit, als der Bedachte dadurch auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Allerdings ist § 3 Nr. 2 GrEStG auf sog. mittelbare Grundstücksschenkungen nicht anwendbar. Eine mittelbare Grundstücksschenkung liegt vor, wenn dem Beschenkten auf Kosten des Schenkers unentgeltlich ein bestimmtes Grundstück eines Dritten zugewendet wird. Dies kann durch einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) oder dadurch erfolgen, dass der Schenker den Kaufpreis für ein zuvor genau bestimmtes, vom Bedachten erworbene Grundstück entrichtet. Möglich ist auch, dass der Zuwendende dem Bedachten die erforderliche Kaufsumme zum bestimmungsgemäßen Gebrauch zur Verfügung stellt (vgl. BFH v. 13.3.1996, BFH/NV 1996, 792, und BFH v. 3.8.1988, BStBl II 1988, 1025). In allen diesen Fällen ist die Anwendung des § 3 Nr. 2 GrEStG ausgeschlossen. Was den Grundstückskaufvertrag zugunsten des Dritten betrifft, kann dieser schon deswegen nicht unter die Befreiungsvorschrift fallen, weil das Rechtsverhältnis zwischen dem Schenker und dem Beschenkten keinen grunderwerbsteuerlich relevanten Tatbestand darstellt. Dies gilt erst recht in den Fällen, in denen der Schenker dem Beschenkten den Kaufpreis für das Grundstück zur Verfügung stellt. Folge dieser Betrachtungsweise ist, dass die an den Beschenkten erbrachte Geldleistung der Schenkungsteuer und der mit diesem Geld verwirklichte Erwerb des Grundstücks der Grunderwerbsteuer unterliegen. Diese Besteuerung ist gerechtfertigt und fällt – weil sie zwei rechtlich völlig eigenständige Erwerbe, nämlich die schenkweise Hingabe des Geldes einerseits und den Erwerb des Grundstücks andererseits erfasst – nicht unter das vom Bundesverfassungsgericht herausgestellte Verbot der Doppelbelastung mit Schenkungsteuer und Grunderwerbsteuer. Dieses Verbot gilt nur in Bezug auf ein und denselben Erwerbsvorgang.

Das Niedersächsische FG v. 4.11.2013, 7 V 118/13, EFG 2014, 955, hat in einem Fall, in dem ein Bruder seinen hälftigen Miteigentumsanteil an einem vom Vater je zu ein Halb unter Vorbehaltsnießbrauch übertragenen Mehrfamilienhaus auf die Schwester überträgt, nachdem er sich im Vertrag wegen der Übernahme von Gesellschaftsanteilen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge hierzu anstelle der Zahlung eines Gleichstellungsgeldes verpflichtet hatte, die von der schenkungsteuerlichen Beurteilung abhängige Frage einer Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG für ernstlich zweifelhaft angesehen und Aussetzung der Vollziehung gewährt. Das FG hält die grunderwerbsteuerliche Behandlung der Übertragung eines Grundstücks zur Gleichstellung aufgrund der bei der Schenkung angeordneten Auflage für ungeklärt. Fraglich sei, ob und inwieweit die Übertragung des Grundstücks zwischen den Geschwistern mit dem Ziel der der Herstellung gleichwertiger Verhältnisse im Rahmen der vorgenommenen Erbfolge der Schenkungsteuer unterliegt. Aus schenkungsteuerlicher Sicht sei denkbar, dass die Schwester einen Ausgleichsanspruch zugewendet erhalten habe, den sie zum Erwerb des Grundstücks verwendet hat. In diesem Fall sei der Erwerb grunderwerbsteuerpflichtig. Denkbar sei auch, dass Gegenstand der Zuwendung an die Schwester aufgrund der einheitlich getroffenen Vereinbarungen zur vorweggenommenen Erbfolge die Grundstückshälfte ihres Bruders ist. In diesem Fall unterläge nicht ein Ausgleichsanspruch, sondern die Grundstücksübertragung auf die Schwester der Schenkungsteuer; der Vorgang wäre dann grunderwerbsteuerfrei nach § 3 Nr. 2 GrEStG. Aus Sicht des Bruders handele es sich um eine Auflage aus der ihm gegenüber erfolgten Schenkung. Habe die Schwester die Grundstückshälfte infolge der Vollziehung einer von dem Schenker angeordneten Auflage ohne entsprechende Gegenleistung...

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