Rz. 48

Die Begünstigung des § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG ist bei den Tatbeständen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG stets dann zu gewähren, wenn eines von mehreren Rechtsgeschäften, die zu einer Vereinigung aller Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG a. F.) bzw. zu einer Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile (§ 1 Abs. 3 GrEStG n. F.) geführt haben, wieder vollständig aufgehoben wird. Nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung mussten hierzu aber alle Anteile, die durch den jeweiligen Übertragungsvorgang übergegangen sind, zurückübertragen werden. Nicht ausreichend sollte es dagegen sein, dass nur ein Teil der übertragenen Anteile zurückübertragen wird, auch wenn dadurch z. B. die nach § 1 Abs. 3 GrEStG n. F. geltende 90 %-Grenze unterschritten worden ist. Diese Rechtsauffassung war schon im Hinblick auf BFH v. 18.4.2012, II R 51/11, BStBl II 2013, 830, fraglich geworden. Denn es ist offensichtlich, dass die dort vertretene Rechtsauffassung, wonach § 16 Abs. 2 GrEStG auch dann auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG anzuwenden ist, wenn Anteile am Gesellschaftsvermögen vom neuen Gesellschafter auf den alten Gesellschafter ganz oder teilweise zurückübertragen werden und infolgedessen ein Übergang von mindestens jetzt 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen im Ergebnis nicht mehr gegeben ist, auch Auswirkungen auf die Begünstigung des § 16 Abs. 1 oder 2 GrEStG bei den Tatbeständen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG haben muss (so auch Meßbacher-Hönsch in einer Anm. zu der BFH-Entscheidung). Zudem hat der BFH in weiteren Urteilen ausdrücklich entschieden, dass der Steuertatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG nicht (mehr) erfüllt ist, wenn durch einen Anteilsrückerwerb das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von jetzt 90 % der Anteile der Gesellschaft unterschritten wird (BFH v. 11.6.2013, II R 52/12, BStBl II 2013, 752; BFH v. 20.1.2015, II R 8/13, BFH/NV 2015, 756). Danach gilt für die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf eine Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG) nichts anderes als für Erwerbsvorgänge i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG. Eine Einschränkung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich insoweit auch nicht aus den Besonderheiten des Steuertatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 GrEStG im Vergleich zu dem des § 1 Abs. 2a GrEStG. Der BFH hat lediglich offengelassen, ob und ggf. welche weiteren Voraussetzungen an einen den Anforderungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG genügenden Anteilsrückerwerb zu stellen sind, wenn im Zusammenhang mit einer Rückübertragung von Anteilen deren Weiterübertragung an Dritte erfolgt. Denn im konkreten Fall war eine solche Weiterübertragung nicht vorgenommen worden. Die Finanzverwaltung hat zunächst nicht zu erkennen gegeben, dass sie dieser BFH-Rechtsprechung uneingeschränkt folgen wird. Sie vertritt inzwischen aber den Rechtsstandpunkt, dass die Grundsätze des BFH v. 18.4.2012, II R 51/11, a. a. O. und des BFH v. 11.6.2013, II R 52/12, a. a. O., auch auf die Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG anwendbar sind. Danach ist ein nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG begünstigter Rückerwerb anzunehmen, wenn innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer aus § 1 Abs. 3 GrEStG die Beteiligung auf die gem. § 1 Abs. 3 GrEStG nicht tatbestandsmäßige Größe von damals 94,9 % bzw. weniger als 95 % und jetzt 89,9 % bzw. weniger als 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen beschränkt wird. Nach Ansicht des BFH sei es nämlich nicht entscheidend, dass gerade der Anteilserwerb, der zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG geführt hat, ganz oder teilweise rückgängig gemacht wird. Den Ausführungen des BFH sei vielmehr zu entnehmen, dass der Anspruch auf Aufhebung des GrESt-Bescheids bzw. auf Nichtfestsetzung von GrESt nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auch dann entstehen kann, wenn nicht der letzte zur Verwirklichung von § 1 Abs. 3 Nr 1 GrEStG führende, sondern ein früherer Anteilserwerb ganz oder – in ausreichender Höhe teilweise – rückgängig gemacht wird. Der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG steht es hierbei auch nicht entgegen, wenn im Zusammenhang mit der Reduzierung der Beteiligung auf das erforderliche Quantum von weniger als 95 % jetzt 90 % ggf. der etwa einzige Geschäftsanteil einer GmbH geteilt werden muss (vgl. Adolf, GmbHR 2013, 951). Eine gewisse Einschränkung erfährt die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG – und des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – jedoch dadurch, dass ein Rechtsvorgang, der zur Verwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GrEStG beigetragen hat und in einem zeitlich größeren Abstand zu dem zur Tatbestandsverwirklichung führenden Rechtsvorgang vorgenommen wurde, nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG – und § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – ist hinsichtlich der Zweijahresfrist für eine Rückgängigmachung nicht auf Erwerbsvorgänge zugeschnitten , bei denen es über mehrere, ggf. zeitlich weit auseinander liegende Rechtsvorgänge erst durch den letzten Rechtsvorgang zur Verwirklichung des der G...

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