Rz. 47

Eine Schwierigkeit bei der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG auf die Fälle des § 1 Abs. 2a GrEStG wird darin gesehen, dass eine Fiktion, wie sie § 1 Abs. 2a GrEStG vorgibt ("gilt als Grundstücksübereignung auf eine neue Personengesellschaft ..."), eigentlich nicht rückgängig gemacht werden kann. Rückgängig können nur einzelne der Anteilsübertragungen gemacht werden, die insgesamt zur Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt haben. Nach der ursprünglichen Auffassung der obersten Finanzbehörden der Länder soll § 16 GrEStG im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a GrEStG nur anwendbar ist, wenn alle Gesellschafterwechsel, die zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG geführt haben, rückgängig gemacht werden (vgl. Tz. 12 der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG i. d. F. der Bekanntmachung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 v. 7.2.2000, BStBl I 2000, 344, und Tz. 12 der gleich lautenden Ländererlasse zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 26.2.2003, BStBl I 2003, 271; in der Tendenz auch Sächsisches FG v. 18.7.2002, 2 V 421/02, EFG 2002, 1402, ohne dass die Frage entscheidungserheblich gewesen wäre). Diese Rechtsauffassung wurde in der Literatur überwiegend zu Recht nicht geteilt. Danach entsteht bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Gesellschaft auch dann ein Anspruch nach § 16 GrEStG, wenn nicht alle, sondern nur einzelne, ggf. auch nur eine der Änderungen im Gesellschafterbestand vollständig rückgängig gemacht werden, und dies dazu führt, dass die Grenze von 95 % jetzt 90 % des § 1 Abs. 2a GrEStG wieder unterschritten wird (vgl. Sack, in Boruttau, GrEStG, 17. Aufl. 2011, § 16 Rz. 273; Pahlke/Franz, GrEStG, 4. Aufl. 2010, § 16 Rz. 73 und Hofmann, GrEStG, 9. Aufl. 2010, § 16 Rz. 65). Teilweise werden zu dieser Problematik auch noch großzügigere Rechtsauffassungen vertreten. So soll es nach Behrens (Düstre 2009, 1611 und DStR 2010, 777) und Klass/Möller (BB 2010, 3060) ausreichend sein, wenn einer der Teilakte nur teilweise rückgängig gemacht wird und dadurch im Ergebnis weniger als 95 % jetzt 90 % der Anteile im maßgebenden Fünfjahreszeitraum auf neue Gesellschafter übergegangen sind. Die Finanzverwaltung blieb davon nicht unbeeindruckt und hat ihre ursprüngliche Auffassung teilweise aufgegeben. Mit Tz. 9 der gleich lautenden Ländererlasse v. 25.2.2010, BStBl I 2010, 245, ist sie der Literaturmeinung insoweit gefolgt, als § 16 Abs. 2 GrEStG im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG anzuwenden ist, wenn einer der Gesellschafterwechsel, die zu einer Verwirklichung des § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG geführt haben, vollständig, d. h. rechtlich und tatsächlich, i. S. d. § 16 GrEStG rückgängig gemacht wird und dadurch die Beteiligungsgrenze von mindestens 90 % am Gesellschaftsvermögen wieder unterschritten wird (vgl. hierzu auch § 1, Rz. 86 und 86a).

Nach der inzwischen ergangenen Entscheidung des BFH v. 18.4.2012, II R 51/11, BStBl II 2013, 830, ist § 16 Abs. 2 GrEStG auf einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG anzuwenden, wenn Anteile am Gesellschaftsvermögen vom neuen Gesellschafter auf den alten Gesellschafter ganz oder teilweise zurückübertragen werden und infolgedessen ein Übergang von mindestens 95 % jetzt 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen im Ergebnis nicht mehr gegeben ist. Dies folgt nach Auffassung des BFH aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 16 GrEStG und den Steuertatbeständen des § 1 GrEStG. § 16 GrEStG ist eine am Besteuerungszweck orientierte gegenläufige Korrekturvorschrift zu § 1 GrEStG (BFH v. 19.3.2003, II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770; BFH v. 25.4.2007, II R 18/05, BFHE 217, 276, BStBl II 2007, 726). Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist ausschließlich dann erfüllt, wenn – unter näher bestimmten Voraussetzungen – 95 % jetzt 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen. Wird daher eine nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Änderung des Gesellschafterbestands in der Weise beseitigt, dass das von dieser Vorschrift vorausgesetzte Quantum von 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen unterschritten wird, ist der Steuertatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht (mehr) erfüllt. Demgemäß setzt ein Rückerwerb i. S. d. § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in Bezug auf § 1 Abs. 2a GrEStG auch nicht voraus, dass die zur Tatbestandsverwirklichung führende (letzte) Anteilsübertragung insgesamt rückgängig gemacht wird. Die Finanzverwaltung ist dieser Rechtsauffassung des BFH, wie die Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl zeigt, gefolgt. Der im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der BFH-Entscheidung ergangene gleich lautende Ländererlass v. 4.6.2013 (BStBl I 2013, 1277) zur Nichtanwendung v. BFH v. 18.4.2012, II R 51/11, a. a. O., bezieht sich nicht auf die unter die Vergünstigung des § 16 Abs. 2 GrEStG fallende nur teilweise Rückübertragung von Anteilen am Gesellschaftsvermögen i. S. v. § 1 Abs. 2a GrEStG, sondern betrifft ausschließlich die Ordnungsmäßigkeit der Anzei...

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