Rz. 6

Bei § 16 GrEStG handelt es sich nicht um eine Befreiungsvorschrift. Der einmal entstandene Steueranspruch erlischt nicht, er bleibt unberührt und lediglich die an sich geschuldete Steuerschuld aufgrund dieser Norm wird nicht oder nicht in voller Höhe erhoben (vgl. BFH v. 11.5.1966, II 73/62, BStBl III 1966, 491, BFH v. 9.8.1989, II R 145/86, BStBl II 1989, 981, und BFH v. 26.8.1992, II R 120/89, BStBl II 1993, 58). Da die Steuerschuld bei Erfüllung der Tatbestände des § 16 Abs. 1 bis 3 GrEStG nicht mit Wirkung für die Vergangenheit (ex tunc), sondern mit Wirkung für die Zukunft entfällt, bleiben auch einmal entstandene Säumniszuschläge nach § 240 Abs. 1 S. 4 AO bestehen; ihre Erhebung ist nicht sachlich unbillig (vgl. BFH v. 14.5.2008, II B 49/07, BFH/NV 2008, 1438).

Im Fall des BFH v. 14.5.2008, II B 49/07, BFH/NV 2008, 1438, entrichtete der Erwerber eines Grundstücks die anfallende Grunderwerbsteuer erst zwei Jahre nach Fälligkeit. Das Finanzamt setzte daher Säumniszuschläge fest, die auch gezahlt wurden. Nach Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrags hob das Finanzamt auf Antrag des Erwerbers die Festsetzung der Grunderwerbsteuer auf und erstattete diese. Die beantragte Erstattung der Säumniszuschläge lehnte es hingegen ab. Allerdings ist die Anwendung des § 227 AO auf entstandene Säumniszuschläge in den Fällen, in denen die Grunderwerbsteuer später nach § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben wird, nach neuerer BFH-Rechtsprechung nicht generell ausgeschlossen. In BFH v. 14.5.2008. a. a. O., blieb ausdrücklich offen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Erlass verwirkter Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen veranlasst sein kann, wenn ein Erwerbsvorgang noch vor der Entscheidung über einen gegen die ursprüngliche Grunderwerbsteuerfestsetzung eingelegten Einspruch rückgängig gemacht wird (vgl. BFH v. 16.2.2005, II R 53/03, BStBl II 2005, 495), weil im Urteilsfall die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG erst nach Bestandskraft des Grunderwerbsteuerbescheids eingetreten sind. Nun vertritt der BFH den Standpunkt, dass die Rechtsfrage, ab welchem Zeitpunkt die Verwirkung von Säumniszuschlägen sachlich unbillig sein kann, wenn die Festsetzung der Grunderwerbsteuer später nach § 16 Abs. 1 GrEStG aufgehoben wird, eindeutig zu beantworten sei. Danach stehe mit dem späteren, wirksam erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag dem Steuerpflichtigen ein Anspruch auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung zu. Dabei handele es sich zwar um einen eigenständigen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, der den ursprünglichen Steueranspruch unberührt lasse (BFH v.16.1.2002, II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053). Der Antrag auf Aufhebung der Steuerfestsetzung sei nicht Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs, sondern lediglich Verfahrensvoraussetzung für dessen Realisierung. Ab dem Zeitpunkt der wirksamen Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag bestehe ein Anspruch auf Aufhebung der festgesetzten Grunderwerbsteuer, sodass ab diesem Zeitpunkt auch die Einziehung der verwirkten Säumniszuschläge unbillig sein kann (BFH v. 9.9.2015, II B 28/15, BFH/NV 2015, 1668, vgl. Sächsisches FG v. 26.8.2009, 4 K 183/08).

Eine Verzinsung des Anspruchs auf Erstattung von Grunderwerbsteuer nach § 16 GrEStG kommt in Ermangelung einer entsprechenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht in Betracht. § 233 a AO sieht eine Verzinsung für die Grunderwerbsteuer nicht vor. Auch aus anderen Vorschriften ergibt sich keine Verzinsungspflicht. Der Anspruch auf Grunderwerbsteuer entfällt durch den Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag nicht rückwirkend. Der Rücktritt hebt den ursprünglichen Vorgang nicht als Ganzes auf, sondern führt lediglich zu dessen Umgestaltung in ein Abwicklungsverhältnis. Der Anspruch aus § 16 GrEStG lässt die ursprüngliche materielle Rechtmäßigkeit des einmal entstandenen Steueranspruchs unberührt (vgl. BFH v. 13.1.2006, II B 55/05, BFH/NV 2006, 978; Vorinstanz: FG Köln v. 15.3.2005, 5 K 195/05, n. v.).

Die Vorschrift hat auch Relevanz für das Insolvenzverfahren. Die Aufrechnungslage im Insolvenzfall (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO) für den materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand hängt davon ab, ob sämtliche materiell-rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Entstehung eines Erstattungsanspruchs im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits erfüllt gewesen sind (Sächsisches FG v. 17.5.2017, 2 K 408/16).

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