Rz. 59

Die Vertragsübernahme ist im GrEStG nicht angesprochen. Sie ist daher unter die bestehenden Tatbestände zu subsumieren. Bei der Vertragsübernahme tritt der neue Vertragspartner an die Stelle des bisherigen Vertragspartners und übernimmt dessen gesamte vertragliche Rechtsposition. Die Vertragsübernahme ist vom Neuabschluss eines Vertrags zu unterscheiden. Eine Vertragsübernahme liegt vor, wenn sich die Beteiligten im Wesentlichen auf einen Austausch der Käuferseite beschränken. Wird der Grundstückskaufvertrag über diesen Austausch hinaus in weiteren Punkten – etwa bezüglich des Kaufgegenstands oder des Kaufpreises – geändert, kann dies einem Neuabschluss eines Grundstückskaufvertrags zwischen dem ursprünglichen Veräußerer und dem Dritten gleichkommen. Neuabschluss und Vertragsübernahme unterscheiden sich in der Frage, zwischen welchen Personen der grunderwerbsteuerrechtlich maßgebliche Rechtsträgerwechsel stattfindet. Dieser verläuft beim Neuabschluss vom ursprünglichen Veräußerer auf den Dritten und bei der Vertragsübernahme vom Erwerber auf den Dritten.

Tritt ein Dritter durch eine Vertragsübernahme als neuer Käufer in einen noch nicht vollzogenen Grundstückskaufvertrag ein, verwirklicht sich ein Erwerbsvorgang gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG. Die Vertragsübernahme begründet einen (regelmäßig sogleich erfüllten) Anspruch auf Übertragung eines Übereignungsanspruchs bezüglich des Grundstücks und führt damit grunderwerbsteuerrechtlich zu einem Rechtsträgerwechsel gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GrEStG zwischen dem ursprünglichen Käufer und dem Dritten, der einen nochmaligen grunderwerbsteuerlich relevanten Rechtsträgerwechsel auf den Dritten – diesmal gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – ausschließt (vgl. BFH v. 22.9.2010, II R 36/09, BFH/NV 2011, 304). Die Regelungen des § 1 Abs. 1 Nr. 5 und 7 GrEStG sollen verhindern, dass die Grunderwerbsteuer vermieden wird, nicht aber, dass zu mehr als 100 % Grunderwerbsteuer für nur einen Rechtsträgerwechsel, bezogen auf dasselbe Grundstück, anfällt. Nach der BFH-Rechtsprechung vermag an dieser grunderwerbsteuerrechtlichen Beurteilung der Vertragsübernahme das vorherrschende zivilrechtliche Verständnis dieses Rechtsinstituts nichts zu ändern. Danach ist die Vertragsübernahme nicht als Abtretung aller Rechte gem. §§ 398ff. BGB und Übernahme aller Verbindlichkeiten gem. §§ 414ff. BGB zu verstehen, sondern als Nachfolge in die gesamte Rechtsstellung einer Vertragspartei durch Übertragung des ganzen Schuldverhältnisses. Es handelt sich um ein einheitliches dreiseitiges Rechtsgeschäft, das sich nicht in Forderungsabtretungen und Schuldübernahmen zergliedern lässt (BGH v. 27.11.1985, VIII ZR 316/84, BGHZ 96, 302, 307). Auch bei diesem Verständnis der Vertragsübernahme ist der nach wie vor gegen den ursprünglichen Verkäufer gerichtete Übereignungsanspruch in der Person des Dritten nicht originär entstanden, sondern derivativ erworben, siehe dazu Rz 93a.

Beteiligte eines Erwerbsvorgangs möchten manchmal die Rechtsfolgen des zwischen ihnen abgeschlossenen Vertrags ganz oder z. T. auf einen an die Stelle des Erwerbers (Ersterwerber) tretenden Zweiterwerber überleiten. Hierzu bieten sich folgende Gestaltungen an:

  • Rückabwicklung des Erwerbsvorgangs zwischen Veräußerer und Ersterwerber und Neuabschluss zwischen Veräußerer und Zweiterwerber,
  • Weiterveräußerung des Grundstücks vom Ersterwerber auf den Zweiterwerber,
  • Verkauf und Abtretung des Übereignungsanspruchs aus dem Kaufvertrag zwischen Veräußerer und Ersterwerber an den Zweiterwerber,
  • vollständiger oder teilweiser Erwerb der aus dem Vertrag zwischen Veräußerer und Ersterwerber herrührenden Rechtsstellung des Ersterwerbers durch den Zweiterwerber (Vertragsübernahme oder Vertragsbeitritt).

Zur wirksamen Vereinbarung einer Vertragsübernahme (oder eines Vertragsbeitritts) bedarf es der Mitwirkung aller Beteiligten. Sie kann über einen dreiseitigen Vertrag oder einen zweiseitigen Vertrag, dem der Dritte zustimmen muss, erfolgen. Unerheblich ist, welche der Beteiligten Partei des Übernahme- bzw. Beitrittsvertrags sind und wer lediglich zustimmt (BGH v. 27.11.1985, VIII ZR 316/84, BGHZ 96, 302, 309). Die Vertragsübernahme (und der Vertragsbeitritt) unterliegt den für das übernommene Rechtsgeschäft geltenden Formvorschriften (§ 311 b Abs. 1 BGB). Rechtsfolge der Vertragsübernahme ist, dass der Zweiterwerber in die gesamte Rechtsstellung des Ersterwerbers eintritt. Im Rahmen dieser Rechtsnachfolge erwirbt der Zweiterwerber vom Ersterwerber auch den Übereignungsanspruch. Der Zweiterwerber erwirbt diesen Anspruch im Wege eines abgeleiteten Erwerbs vom Ersterwerber wie im Fall der Abtretung. Entsprechendes gilt auch für den Fall des Vertragsbeitritts. Die durch die Vertragsübernahme (oder den Vertragsbeitritt) ausgelöste Überleitung des Übereignungsanspruchs ist als Erwerbsvorgang i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG zu qualifizieren, was einen nochmaligen Rechtsträgerwechsel bezüglich desselben Grundstücks ausschließt (vgl. auch BFH v. 12....

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