Rz. 56

Während § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG Rechtsgeschäfte erfasst, die den (schuldrechtlichen) Anspruch auf die (dingliche) Abtretung eines Übereignungsanspruchs nach § 398 BGB betreffen, werden nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG solche Rechtsgeschäfte besteuert, die den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot oder – dem Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG folgend – aus einem Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrages begründen, aus dem die Übereignung eines Grundstücks verlangt werden kann. Zivilrechtlich kann die Abtretung der Rechte aus Vertragsangeboten – im Gegensatz zur Abtretung eines Übereignungsanspruchs nach § 398 BGB – nur mit Zustimmung des an das Angebot Gebundenen erfolgen.

Da § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG nur solche Zwischengeschäfte erfasst, die den Veräußerer binden, setzt die Tatbestandsverwirklichung nach diesen Vorschriften nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs voraus, dass dem Veräußerer ein rechtswirksames "Kaufangebot" eingeräumt wird. Ein nicht der Form des § 313 BGB (§ 311 b BGB n. F.) genügendes (privatschriftliches oder nur gar mündliches) Vertragsangebot bzw. in die Rechtsform des Vertrags gekleidetes Angebot entfaltet keine Bindungswirkung gegenüber dem Veräußerer und erfüllt daher nicht die tatbestandlichen Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG (vgl. BFH v. 5.7.2006, II R 7/05, BStBl II 2006, 765).

Bei einem Rechtsgeschäft, mit dem die Rechte aus einem Kaufangebot (Ankaufsrecht) abgetreten werden, entsteht die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG nicht bereits mit der Abtretung, sondern erst mit der Ausübung des Ankaufsrechts.

 
Praxis-Beispiel

Die A-KG veräußert 1994 ein Grundstück an eine Leasinggesellschaft und schließt mit dieser einen Leasingvertrag über 18 Jahre ab. Der A-KG wird hierbei das Recht eingeräumt, nach Ablauf der Grundmietzeit im Jahr 2012 das Grundstück zu einem bestimmten Preis zurückzuerwerben (Ankaufsrecht). Die A-KG vermietet das Grundstück noch 1994 an die B-AG, an der sie alle Anteile hält. Im Jahr 2006 erwirbt die B-AG das Ankaufsrecht von der A-KG. Die B-AG kann damit im Jahr 2012 anstelle der A-KG das Grundstück von der Leasinggesellschaft kaufen. Für den Erwerb des Grundstücks zahlt die B-AG den ursprünglich vereinbarten Kaufpreis an die Leasinggesellschaft sowie ein Entgelt an die A-KG für die Abtretung des Ankaufsrechts.

Das zwischen der A-KG und der B-AG abgeschlossene Rechtsgeschäft über die Abtretung der Rechte aus dem der A-KG zustehenden Kaufangebot (Ankaufsrecht) unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG der Steuer. Die Grunderwerbsteuer entsteht nicht bereits mit der Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot, sondern erst mit der Ausübung des Ankaufsrechts durch die B-AG im Jahr 2012. Steuerschuldner ist ausschließlich die A-KG als die aus dem Ankaufsrecht Berechtigte. Bemessungsgrundlage für die Steuer ist insoweit der auf den Zeitpunkt des Grundstückserwerbs durch die B-AG festgestellte Grundbesitzwert.

Außerdem unterliegt der im Jahr 2012 verwirklichte Grundstückserwerb der B-AG der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Bemessungsgrundlage hierfür ist die Gegenleistung (Kaufpreis) zuzüglich des Betrags, den die B-AG an die A-KG für die Abtretung der Rechte aus dem Ankaufsrecht und deren Verzicht auf einen eigenen Erwerb zu entrichten hat (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG und BFH v. 11.6.2008, II R 57/06, BFH/NV 2008, 2059). Schuldner dieser Grunderwerbsteuer ist die B-AG.

Ein Abzug der an die Leasinggesellschaft geleisteten Zahlungen von einer der o. a. Bemessungsgrundlagen kommt nicht in Betracht.

Der (entgeltliche) Verzicht auf ein Ankaufsrecht ist kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 GrEStG. Er begründet weder einen Anspruch des Grundstückserwerbers auf die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot oder einem Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrags noch werden dadurch derartige Rechte abgetreten (vgl. hierzu das zur USt ergangene Urteil des BFH v. 3.9.2008, XI R 54/07, BFH/NV 2009, 312).

 

Rz. 57

Die Besteuerung solcher Zwischengeschäfte verfolgt den Zweck, den Handel mit Kaufangeboten/Optionen auf Grundstücke zu erfassen. Wegen dieser Zielsetzung setzt der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 6 und 7 GrEStG die Erfüllung des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals voraus, dass der aus dem Vertragsangebot Berechtigte einen Dritten benennen darf und dabei das Kaufangebot zum Nutzen eigener wirtschaftlicher Interessen verwertet (vgl. BFH v. 16.12.1981, II R 109/80, BStBl II 1982, 269). Der Benennungsberechtigte verfolgt eigene wirtschaftliche Interessen stets dann, wenn er seine Stellung dazu benutzt, den von ihm benannten Dritten zum Abschluss weiterer Verträge zu veranlassen (vgl. BFH v. 16.4.1980, II R 141/77, BStBl II 1980, 525 m. w. N., und BFH v. 16.12.1981, II R 109/80, BStBl II 1982, 269). Dies ist z. B. dann gegeben, wenn im Rahmen von Bauherrenmodellen ein für die Bebauung und Veräußerung vorgesehenes Grundstück einer 3. Person über ein Kaufangebot in die Hand gegeben wird...

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