Rz. 93g

In der Beraterpraxis ist darüber hinaus, insbesondere auch vor dem Hintergrund der in nahezu allen Bundesländern ansteigenden Grunderwerbsteuersätze (vgl. § 11 GrEStG Rz. 3) nach weiteren Wegen gesucht worden, um den Anfall von Grunderwerbsteuer bei der Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft mit Grundbesitz zu vermeiden. Hierzu wurde insbesondere bei Umstrukturierungen und Akquisitionen häufig auf sog. "Real Estate Transfer Tax-Blocker-Strukturen" – kurz "RETT-Blocker"-Strukturen – zurückgegriffen, mit denen durch die Zwischenschaltung einer Gesellschaft, an der ein (fremder) Dritter wirtschaftlich nicht oder nur geringfügig beteiligt war, eine geänderte grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung des inländischen Grundbesitzes und damit das Entstehen von Grunderwerbsteuer vermieden bzw. "blockiert" werden konnte. Der "RETT-Blocker" erwarb das erforderliche Quantum der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft regelmäßig, ohne sich dabei auch wirtschaftlich in diesem Umfang an ihr zu beteiligen. Dieses Ziel ließ sich ggf. auch mit der Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften erreichen.

Die Auswirkung der Einschaltung eines "RETT-Blockers" in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft zeigt sich an folgenden beiden Beispielsfällen:

 

Beispiel 1:

A und B, die zu jeweils 50 % an der grundbesitzenden X-GmbH beteiligt sind, möchten ihre Anteile auf C übertragen. Mit der Übertragung dieser Anteile würden alle Anteile an der X-GmbH in der Hand des C vereinigt werden, sodass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht würde. Um dies zu vermeiden, bietet sich die nachfolgende Lösung an:

Zunächst überträgt A seinen Anteil auf C. Danach wird der Grundbesitz der X-GmbH auf eine Y-GmbH & Co. KG übertragen, an der die X-GmbH als einzige Kommanditistin zu 100 % vermögensmäßig beteiligt ist. Die Y-GmbH als Komplementärin ist nicht am Vermögen der Y-GmbH & Co. KG beteiligt. Gesellschafter der Y-GmbH sind C zu 94,9 % und die Ehefrau von C zu 5,1 %. Im Anschluss an die Grundstücksübertragung überträgt B seinen Anteil auf C.

Für die Übertragung des Anteils von A auf C wird keiner der Tatbestände des § 1 GrEStG verwirklicht. Bei der Übertragung des Grundbesitzes auf die Y-GmbH & Co. KG wird der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Da die X-GmbH zu 100 % am Vermögen der KG beteiligt ist, kommt in vollem Umfang die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG zum Tragen. § 5 Abs. 3 GrEStG ist zu beachten.

Nach der Übertragung des Grundbesitzes der X-GmbH auf die Y-GmbH & Co. KG ergibt sich folgende Beteiligungsstruktur:

Mit der anschließenden Übertragung des Anteils des B an der X-GmbH auf C wird kein Tatbestand i. S. v. § 1 GrEStG verwirklicht, auch nicht der des § 1 Abs. 2a GrEStG. Zwar hat bei der X-GmbH ein Gesellschafterwechsel i. H. v. mindestens 95 % jetzt 90 % auf neue Gesellschafter innerhalb der letzten 5 Jahre stattgefunden, sodass grundsätzlich durch den letzten Gesellschafterwechsel eine "neue" X-GmbH Gesellschafter der Y-GmbH & Co. KG geworden wäre. Bei der X-GmbH ist aber bereits vor deren Beitritt zur Y-GmbH & Co. KG ein Gesellschafterwechsel erfolgt. Der o. a. letzte Gesellschafterwechsel kann daher im Zusammenhang mit dem mittelbaren Gesellschafterwechsel i. R. d. § 1 Abs. 2a GrEStG keine Berücksichtigung finden. Bei der X-GmbH kann damit nicht von einem mittelbaren Gesellschafterwechsel i. H. v. mindestens 95 jetzt 90 % % ausgegangen werden. Auch ein Tatbestand i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG in Bezug auf die Y-GmbH & Co. KG wird nicht verwirklicht, da der Anteil der Y-GmbH nicht dem C zugerechnet werden kann; denn an der Y-GmbH ist C lediglich zu 94,9 % beteiligt.

 

Beispiel 2:

E erwirbt 94,9 % der Anteile an der grundbesitzenden A-GmbH vom Altgesellschafter A. Dieser bringt die ihm verbleibenden 5,1 % der Anteile nach § 20 UmwStG gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die neu gegründete B-GmbH ein. Anschließend erwirbt E von A auch 94,9 % der Anteile an der B-GmbH.

Es lag damals keine teils unmittelbare und teils mittelbare Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG in der Hand des E vor. E ist an der A-GmbH unmittelbar lediglich zu 94,9 % beteiligt, sodass dadurch das erforderliche Quantum von mindestens 95 % nicht erreicht wurde. Eine mittelbare Beteiligung des E an der A-GmbH über die vermittelnde B-GmbH liegt nicht vor, da E an der B-GmbH ebenfalls lediglich mit 94,9 % beteiligt ist. Notwendig wäre eine Beteiligung des E an der B-GmbH in Höhe von mindestens 95 %, damit die mittelbare Beteiligung E zugerechnet wird. Bei mittelbaren Beteiligungen ist auf jeder Ebene zu prüfen, ob die 95 %-Grenze erreicht wird (vgl. BFH v. 25.8.2010, II R 65/08, BStBl II 2011, 225; siehe hierzu auch Rz. 91).

Die klassische "RETT-Blocker"-Struktur ist hingegen durch die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft gekennzeichnet. Die Akteure machen sich dabei die zivilrechtlichen und grunderwerbsteuerrechtlichen Besonderheiten dieser Gesellschaftsform zunutze. Denn für die Bestimmung des Begriffs "...

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