1 Systematische Einordnung

DBA sind zwischen 2 Staaten abgeschlossene völkerrechtliche Verträge, die nach deutschem Verständnis in das nationale Steuerrecht umgesetzt werden. Diese Verträge können neu verhandelt, gekündigt oder in gegenseitigem Einverständnis geändert werden. Werden allerdings einseitig Regelungen in das nationale Steuerrecht eingeführt, die zu Regelungen im jeweiligen DBA im Widerspruch stehen, spricht man von einem Treaty Override.[1] Eine gesetzliche Definition für ein Treaty-Override besteht nicht. Durch einen Treaty Override wird unilateral gegen das DBA als völkerrechtlichem Vertrag verstoßen.

Ziele eines Treaty Overrides sind die Missbrauchsvermeidung, die Verhinderung der Nichtbesteuerung oder Sicherstellung des Besteuerungssubstrats. Der Gesetzgeber hat in der Vergangenheit umfangreich von der Möglichkeit eines Treaty Overrides Gebrauch gemacht, um aus seiner Sicht unerwünschte Folgen aus der Anwendung eines oder mehrerer DBA oder dem Zusammenspiel von DBA und Regelungen des nationalen Steuerrechts zu verhindern.[2]

[1] Lehner, in Vogel/Lehner, DBA, 2008, Einl. Rz. 194.
[2] Z. B. § 50d Abs. 3, 8, 9, 10, 11 EStG, § 15 Abs. 1a EStG, § 17 Abs. 5 EStG, § 8b Abs. 1 S. 3 KStG, § 26 Abs. 6 KStG, § 16 Abs. 2 REITG, § 20 Abs. 4 REITG; vgl. die Übersicht von Jochimsen/Gradl, IStR 2015, 236.

2 Inhalt

Ein Treaty Override kann sowohl in einer materiellen Regelung, einer unilateralen Subject-to-tax-Klausel[1], einer unilateralen Switch-over-Klausel[2] als auch in zusätzlichen formalen Anforderungen und Nachweiserfordernissen[3] bestehen. Das Treaty-Override kann ausdrücklich in der gesetzlichen Regelung benannt werden oder sich aus dem Inhalt der Regelung implizit ergeben. Ein Treaty Override ist regelmäßig für den Stpfl. nachteilig, weil dadurch gerade unerwünschte steuerliche Folgen verhindert werden sollen. Begrifflich ist dies aber nicht notwendigerweise der Fall.

Ein Treaty Override stellt einen Verstoß gegen das DBA und damit gegen einen völkerrechtlichen Vertrag dar. Da sich der Stpfl. allerdings nicht unmittelbar auf das DBA stützen kann, kann dieser Verstoß von ihm nicht ohne Weiteres gerügt werden, auch wenn das Treaty Override für ihn nachteilig ist. Grundsätzlich ist darin nach der neuesten Rspr. des BVerfG kein ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte des Stpfl. zu sehen.[4] Umstritten ist unabhängig davon, welche Voraussetzungen an eine Regelung zu stellen sind, damit ein wirksamer Treaty Override vorliegt. Die Rspr. verlangt, dass eine entsprechende Regelung ausdrücklich getroffen wird.[5] Im Gesetz wird ein Treaty Override häufig durch Formulierungen wie "ungeachtet des Abkommens" oder "diese Regelung wird durch die Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung nicht berührt" kenntlich gemacht. In der Praxis enthalten aber nicht alle Regelungen, die wie ein Treaty Override wirken, eine entsprechende Formulierung. Das Treaty-Override kann sich auch nur aus der inhaltlichen Regelung der jeweiligen Norm ergeben (sog. verdecktes Treaty-Override).

Da ein DBA durch die Umsetzung ins nationale Steuerrecht nach deutschem Recht den Rang eines einfachen Gesetzes erhält, wird ein Treaty Override ganz überwiegend als zulässig angesehen.[6] Nach der höchstrichterlichen Rspr. des BVerfG liegt darin kein Verstoß gegen die Verfassung; insbesondere stellt dies keinen ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte des Stpfl. dar.[7] Das BVerfG stellt zunächst klar, dass DBA durch die Transformation in innerstaatliches Recht den Rang eines einfachen Gesetzes haben; es handelt sich nicht um allgemeine Regelungen des Völkerrechts, die gem. Art. 25 GG Vorrang vor einfachem Recht haben. Auch aus § 2 AO ergibt sich nichts anderes. Der Gesetzgeber kann nach den allgemeinen Regelungen jede nationale Rechtsnorm aufheben oder verändern. Dies ergibt sich aus dem Demokratieprinzip und dem Prinzip der Gewaltenteilung (der Gesetzgeber kann das DBA nicht als mildere Maßnahme kündigen; dies ist nur durch die Exekutive möglich). Zu beachten sind allerdings die allg. Grenzen wie der Lex-specialis-Grundsatz und der Lex-posterior-Grundsatz. Dabei geht der Lex specialis-Grundsatz dem Lex posterior-Grundsatz vor.[8] Auch der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG ändert daran nichts. Dies ist nur eine Auslegungshilfe, aber kein absolutes Gebot. Der BFH hat ein Treaty Override im Vorlagebeschluss als Eingriff in die Grundrechte, insbesondere in das Gleichheitsgebot gem. Art. 3 GG angesehen. Eine Rechtfertigung dafür war im vorliegenden Fall zweifelhaft; jedenfalls soll das Verhältnismäßigkeitsgebot nach Auffassung des BFH nicht eingehalten worden sein. Dies hat das BVerfG abgelehnt, da eine mildere Regelung z. B. durch Kündigung des DBA nicht dem Gesetzgeber, sondern der Exekutive zusteht.

In der Literatur[9] wird zudem diskutiert, ob ein Treaty-Override ein Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten darstellen kann. M.E. ist diese Frage anhand der allg. Grundsätze zu beurteilen, da der Treaty-Override durch eine nationale gesetzliche Regelung...

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