Rz. 654

Der Rat hatte am 27.6.2016 die Richtlinie (EU) 2016/1065 hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen verabschiedet.[1] Die RLmusste mit Wirkung v. 1.1.2019 in nationales Recht umgesetzt werden. Mit der RL wurden besondere Vorschriften für die mehrwertsteuerliche Behandlung von Gutscheinen in die MwStSystRL eingefügt. Art. 30a MwStSystRL enthält die Definitionen von Gutscheinen. Ein Gutschein ist ein Instrument, bei dem die Verpflichtung besteht, es als Gegenleistung oder Teil einer solchen für eine Leistung (Lieferung oder Dienstleistung) anzunehmen und bei dem die zu liefernden Gegenstände oder die Dienstleistungen oder die Identität der möglichen Lieferer oder Dienstleister entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind. Dabei wird zusätzlich unterschieden zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen. Ein Einzweckgutschein ist ein Gutschein, bei dem der Ort der Lieferung oder der Dienstleistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete MwSt zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins bereits feststehen. Ein Mehrzweckgutschein ist ein Gutschein, bei dem es sich nicht um einen Einzweckgutschein handelt, also jede andere Form eines Gutscheins.

 

Rz. 655

Die Neuregelungen über die Gutscheine finden nach Nr. 5 der Erwägungsgründe der Richtlinie ausdrücklich keine Anwendung auf Briefmarken, Fahrscheine, Eintrittskarten für Kinos und Museen und ähnliche Instrumente. Hier sind bereits über die bloße Annahmeverpflichtung hinausgehende Ansprüche entstanden. Nach Nr. 4 der Erwägungsgründe der Richtlinie betreffen die Neuregelungen ausschließlich Gutscheine, die (an Zahlungs statt) zur Einlösung gegen Gegenstände oder Dienstleistungen verwendet werden können. Sie gelten nicht für Instrumente, die den Inhaber zu einem Preisnachlass beim Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen berechtigen, aber nicht das Recht verleihen, solche Leistungen zu erhalten. Gutscheine können körperlicher Art sein oder in elektronischer Form bestehen.

 

Rz. 656

Art. 30b MwStSystRL regelt den Zeitpunkt, zu dem bei Verwendung eines Gutscheins die MwSt erhoben wird. Bei einem Einzweckgutschein liegen alle Informationen bereits bei der Ausgabe des Gutscheins vor, die benötigt werden, um die mehrwertsteuerliche Behandlung der zugrunde liegenden Umsätze mit Sicherheit zu bestimmen. Somit erfolgt die Besteuerung im Zeitpunkt der Ausstellung/Übertragung des Gutscheins. Hierzu regelt Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL, dass jede Übertragung eines Einzweckgutscheins durch einen Unternehmer, der in eigenem Namen handelt, als die (steuerbare) Leistung (Lieferung oder Dienstleistung) gilt, auf die sich der Gutschein bezieht. Die spätere (tatsächliche) Leistung, für die ein Einzweckgutschein als Gegenleistung oder als Teil der Gegenleistung von dem leistenden Unternehmer angenommen wird, gilt "nicht als unabhängiger Umsatz".

 

Rz. 657

Die Übertragung eines Einzweckgutscheins durch einen Unternehmer, der im Namen eines anderen Unternehmers handelt, gilt als eine Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den anderen Unternehmer, in dessen Namen der übertragende Unternehmer handelt. Der übertragende, in fremdem Namen handelnde Unternehmer erbringt somit keinen steuerbaren Umsatz. Handelt es sich bei dem leistenden Unternehmer (Lieferer oder Dienstleister) nicht um den Unternehmer, der, im eigenen Namen handelnd, den Einzweckgutschein ausgestellt hat, wird nach Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 3 MwStSystRL ähnlich den Grundsätzen der Dienstleistungskommission der leistende Unternehmer dennoch so behandelt, als habe er dem Aussteller des Gutscheins die Leistung in Bezug auf den Gutschein bewirkt.

 

Rz. 658

Bei einem Mehrzweckgutschein liegen zum Zeitpunkt der Ausgabe nicht alle Informationen vor, um die mehrwertsteuerliche Behandlung der diesem zugrunde liegenden Umsätze zuverlässig zu bestimmen. Die MwSt kann für den zugrunde liegenden Umsatz somit erst bei der Einlösung des Gutscheins erhoben werden. Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL regelt, dass nur die (spätere) tatsächliche Leistung, die gegen die Einlösung eines Mehrzweckgutscheins erbracht wird, gemäß Art. 2 MwStSystRL der MwSt unterliegt. Die bloße Übertragung eines Mehrzweckgutscheins ist somit nicht steuerbar.

 

Rz. 659

Wird ein Mehrzweckgutschein von einem anderen Unternehmer als dem Unternehmer, der die spätere Leistung bewirkt, übertragen, unterliegen nach Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL alle bestimmbaren Dienstleistungen wie etwa Vertriebs- oder Absatzförderungsleistungen der MwSt. In solchen Fällen unterliegen somit nur die entsprechenden Vermittlungsleistungen oder gesonderte Dienstleistungen wie Vertriebs- oder Absatzförderungsleistungen der MwSt. Wenn ein Unternehmer, der nicht im eigenen Namen handelt, eine gesonderte Gegenleistung für die Übertragung eines Gutscheins erhält, ist diese Gegenleistung nach den allgemeinen Grundsätzen...

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