Rz. 352

Art. 306ff. MwStSystRL regeln die sog. Margenbesteuerung von Reiseleistungen. Danach wenden die Mitgliedstaaten auf die Leistungen der Reiseveranstalter (die Vorschrift spricht insoweit irreführend von Reisebüros, die i. d. R. nur als Vermittler tätig sind) eine Sonderregelung an, soweit die Veranstalter gegenüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten und für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger (Unternehmer) in Anspruch nehmen. Für die Reiseleistungen der Reiseveranstalter gilt als Bemessungsgrundlage die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtpreis und den tatsächlichen Kosten, die dem Veranstalter durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Unternehmer entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugute kommen. Der "vom Reisenden zu zahlende Gesamtbetrag" umfasst den zusätzlichen Betrag, den ein als Vermittler für Rechnung eines Reiseveranstalters tätiges Reisebüro zu dem vom Reisenden entrichteten Preis an den Reiseveranstalter zahlen muss, und zwar in Höhe des dem Reisenden von dem Reisebüro gewährten Nachlasses auf den im Katalog des Reiseveranstalters festgesetzten Preis. Ein dem Reiseveranstalter zu gewährender Provisionsabschlag gehört damit als Entgelt von dritter Seite zur Bemessungsgrundlage.[1]

 

Rz. 353

Art. 306ff. MwStSystRL sind auf alle Unternehmer anzuwenden, die in eigenem Namen einzelne oder mehrere Reiseleistungen erbringen und dazu Vorleistungen in Anspruch nehmen. Auf die subjektiven Eigenschaften des Unternehmers kommt es nicht an. Der Unternehmer muss kein Reisebüro oder Reiseveranstalter im herkömmlichen Sinne sein.[2]

 

Rz. 354

Die Anwendung der Margenregelung für Reiseleistungen ist für alle Arten von Kunden, nicht nur für (nichtunternehmerisch) Reisende möglich (sog. Kundenmaxime). Damit fallen Reiseleistungen, die für das Unternehmen des Leistungsempfängers erbracht werden (z. B. Incentivereisen, Kettengeschäfte), ebenfalls unter die Margenregelung.[3] Es ist unzulässig, im Fall einer Reiseleistung, die gegenüber einem anderen Unternehmer erbracht wird und nur Leistungen umfasst, die im Inland erbracht werden, in der Rechnung in Absprache mit dem Leistungsempfänger einen MwSt-Betrag auszuweisen, den der Leistungsempfänger als Vorsteuer abziehen kann. Ein solcher Vorsteuerabzug ist bei der Sonderregelung für Reiseleistungen nicht vorgesehen. Eine Pauschalversteuerung (für einen bestimmten Zeitraum) ist bei Reiseleistungen nach Art. 308 bzw. Art. 318 MwStSystRL nicht vorgesehen.[4]

Auch Deutschland hat sowohl durch den Ausschluss von B2B-Umsätzen aus der Differenzbesteuerung für Reiseleistungen als auch durch die Zulässigkeit einer Gruppen- oder Gesamtmargenregelung gegen seine Verpflichtungen aus der MwStSystRL verstoßen.[5] Infolge des Urteils hat Deutschland durch das Gesetz v. 12.12.2019[6] den Anwendungsbereich der Margenbesteuerung mWv 18.12.2019 auf die sog. Kettengeschäfte erweitert und mWv 1.1.2022 die Gruppen- bzw. Gesamtmargenregelung abgeschafft.

 

Rz. 355

Die verschiedenen Dienstleistungen, die einem Reisenden gegenüber erbracht werden (z. B. Flug, Unterkunft, Verpflegung), gelten als einheitliche Dienstleistung (Art. 307 Abs. 1 MwStSystRL). Diese wird an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Reiseveranstalter sein Unternehmen betreibt (Sitzort). Nach neuerer Verwaltungsauffassung[7] soll allerdings § 25 UStG bei Reiseleistungen von Unternehmern mit Sitz im Drittland und ohne feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet nicht anwendbar sein. Wird die Reiseleistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als Ort der Reiseleistung (Art. 307 Abs. 2 MwStSystRL). Die Sonderregelung für Reisebüros kann auch bei sog. Sprachreisen zur Anwendung kommen. Reisen können auch der Ausbildung und Sprachenbildung dienen, sodass der Zweck einer Reise für die Anwendung der Sonderregelung nicht maßgeblich ist. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass Reisen über eine lange Zeit dauern können. Werden Beförderungs- und Unterbringungsleistungen von anderen Unternehmern als Vorleistungen in Anspruch genommen, kommt es für das Reiseprogramm nicht mehr darauf an, ob ggf. die schulische oder universitäre Ausbildung im Mittelpunkt steht.[8] Für den isolierten Verkauf von Opernkarten durch ein Reisebüro ohne zusätzlich erbrachte Leistungen kann die Margenregelung nicht angewendet werden. Üblicherweise von Reisebüros und Reiseveranstaltern erbrachte Leistungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich regelmäßig aus mehreren Leistungen, insbesondere Beförderungs- und Unterbringungsleistungen, zusammensetzen. Zwar ist es für die Anwendung der Margenregelung nicht entscheidend, dass die Umsätze von Reisebüros oder Reiseveranstaltern im üblichen Wortsinn durchgeführt werden. Aber selbst dann muss es sich bei den in Rede stehenden Leistungen um "gleichartige Umsätze wie ein Reisebüro oder Reiseveranstalter" handeln, wenn die Umsätze von einem Reisebüro oder Reiseveranstalter im ü...

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