Rz. 307

Steuerschulder ist grundsätzlich der Unternehmer, der einen steuerpflichtigen Umsatz bewirkt.[1]

 

Rz. 308

Die EU-Mitgliedstaaten können Regelungen treffen, nach denen der Leistungsempfänger die Steuer schuldet (sog. Reverse-Charge-System), wenn der Umsatz von einem nicht im Inland ansässigen Unternehmer erbracht wird.[2] Zu den ab 1.1.2010 geltenden Neuregelungen aufgrund der geänderten Bestimmungen über den Ort der Dienstleistung vgl. Abschn. 4.10.

 

Rz. 309

In den Fällen der sog. B2B-Leistungen[3] schuldet immer der steuerpflichtige Leistungsempfänger die Steuer, wenn die Leistung von einem im Ausland ansässigen Unternehmer erbracht wird.[4] Der leistende Unternehmer ist bereits dann ein "nicht in diesem Mitgliedstaat (also nicht im Mitgliedstaat, wo der Leistungsort ist) ansässiger Steuerpflichtiger" i. S. d. Art. 196 MwStSystRL, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat. Es muss nicht als weitere Voraussetzung hinzukommen, dass der leistende Unternehmer seinen privaten Wohnsitz nicht im Mitgliedstaat des Orts der Leistung hat. Es ist ausreichend, wenn der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des leistenden Unternehmers im Ausland liegt. Ob daneben noch ein Wohnsitz im Inland besteht, ist irrelevant.[5]

 

Rz. 310

Die EU-Mitgliedstaaten können es dem Steuerschuldner gestatten, einen Steuervertreter als Steuerschuldner zu benennen, wenn der Steuerschuldner ein im Ausland ansässiger Unternehmer ist.[6]

 

Rz. 311

Die EU-Mitgliedstaaten können eine Fiskalvertretung vorsehen, wenn die Leistung von einem nicht im Inland ansässigen Unternehmer erbracht wird und mit dem Sitzstaat dieses Unternehmers kein Rechtsinstrument vereinbart ist, das die gegenseitige Amtshilfe in ähnlicher Weise regelt wie die EG-Beitreibungs- und die EG-Amtshilferichtlinie (Art. 204 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL). Damit haben die EU-Mitgliedstaaten ab dem 1.1.2002 nicht mehr die Möglichkeit, von EU-Unternehmern, die in einem anderen Mitgliedstaat umsatzsteuerpflichtig werden, obligatorisch die Bestellung eines Fiskalvertreters zu verlangen.[7]

 

Rz. 312

Die EU-Mitgliedstaaten können bestimmen, dass eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat.[8] Hier ist aber darauf hinzuweisen, dass die mögliche Gesamtschuldnerschaft nur dann eingeführt werden kann, wenn dadurch im EU-Ausland ansässige Leistungserbringer nicht diskriminiert werden. Zu den Voraussetzungen, einen Dritten als Gesamtschuldner (Haftungsschuldner) bestimmen zu können, vgl. EuGH v. 11.5.2006.[9] Eine Haftungsregelung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn eine andere Person als der Steuerschuldner gesamtschuldnerisch haften soll, ohne dass diese andere Person die Möglichkeit hat, sich der Haftung zu entziehen (z. B. wenn sie nachweisen kann, dass sie auf das Tun des Steuerschuldners keinen Einfluss hat). Dies gilt z. B. in dem Fall, dass der Inhaber eines anderen Lagers als eines Zolllagers selbst dann gesamtschuldnerisch für die Steuern haften soll, die vom Eigentümer der Waren für eine Lieferung geschuldet werden, bei der die Waren (hier Mineralöle) aus dem Lager entnommen werden, wenn der Lagerinhaber gutgläubig ist oder ihm weder ein Fehler noch eine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann.[10]

 

Rz. 313

Steuerschuldner ist auch jede Person, die MwSt in einer Rechnung ausweist.[11] Diese Steuerschuld besteht unabhängig davon, ob der Unternehmer die in einer Rechnung ausgewiesene Steuer aufgrund eines steuerbaren Umsatzes zu entrichten hat. Anders als in den Fällen, in denen die Steuerschuld auf einem steuerbaren Umsatz basiert, ist demzufolge der Ort der in Rechnung gestellten Leistung für die Entstehung der Steuerschuld nach Art. 203 MwStSystRL unerheblich. Die Steuer wird nach dieser Vorschrift ausschließlich deshalb geschuldet, weil MwSt in einer Rechnung ausgewiesen ist. Da die Gefährdung des Steueraufkommens, die sich daraus ergeben könnte, dass der Rechnungsempfänger einen Vorsteuerabzug ausübt, in dem Mitgliedstaat besteht, dessen MwSt in der betreffenden Rechnung ausgewiesen ist, wird die Steuer nach Art. 203 MwStSystRL in diesem Mitgliedstaat geschuldet. Das bedeutet, dass z. B. in einem Fall, in dem ein in Deutschland ansässiger Unternehmer für eine Leistung, deren Ort in Frankreich liegt, in der Rechnung zu Unrecht französische MwSt ausweist (z. B. weil die Leistung steuerfrei und nicht steuerpflichtig ist oder weil der Rechnungsempfänger die Steuer schuldet), die Steuer in Frankreich schuldet. Dies gilt auch für den Fall, dass der Leistungsort in Deutschland liegt und gleichwohl französische MwSt in der Rechnung ausgewiesen wird, weil der Unternehmer sich über den Leistungsort in einem Rechtsirrtum befindet.[12] Mit der Art. 203 MwStSystRL soll der Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Vorsteuerabzugsrecht aus Rechnungen mit gesondert ausgewiesener MwSt ergibt. Allerdings wird die in Art. 203 MwStSystRL geregelte Steuerschuld durch die von den Mitglied...

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