Rz. 3

§§ 90ff. FGO gehen davon aus, dass während einer mündlichen Verhandlung sämtliche Beteiligte, so sie denn an der Verhandlung teilnehmen[1], und das Gericht sich am selben Ort aufhalten. § 91a Abs. 1 FGO gestattet den Aufenthalt an verschiedenen Orten, wenn die Verhandlung in Bild und Ton zeitgleich an die jeweiligen Orte übertragen wird. Dies muss technisch verwirklicht werden können. Das Gericht muss sämtliche in den jeweiligen Räumen befindlichen Personen gleichzeitig sehen und hören können. Insbesondere um die Beeinflussung von Aussagen der Beteiligten und Zeugen wahrzunehmen, ist ein Überblick über den gesamten Raum und das Hören des gesamten Tons erforderlich. Weiter muss technisch sichergestellt sein, dass wegen des Steuergeheimnisses (s. Rz. 5) und des Persönlichkeitsschutzes die Daten auf dem Übertragungsweg – z. B. per Internet – nicht von Unbefugten eingelesen werden können.

 

Rz. 4

Ist die erforderliche Technik sichergestellt und wird die Verhandlung übertragen, können die Beteiligten an unterschiedlichen Orten wirksam Verfahrenshandlungen vornehmen[2]. Damit besteht für das Gericht die Möglichkeit, eine das Verfahren abschließende mündliche Verhandlung durchzuführen, da alle Beteiligten sämtliche auch sonst in einer mündlichen Verhandlung möglichen Prozesserklärungen abgeben können, insbesondere also wirksam Klageanträge stellen können. Alles, was in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts erklärt werden kann, kann dann per Videokonferenz mündlich erklärt werden. Hier können die Beteiligten von verschiedenen Orten aus mündlich insbesondere Beweisanträge stellen, die Hauptsache für erledigt erklären oder die Klage zurücknehmen.

 

Rz. 5

Gem. § 52 Abs. 1 FGO gelten die Vorschriften des GVG u. a. über die Öffentlichkeit und die Sitzungspolizei sinngemäß. Es muss daher sichergestellt sein, dass der Vorsitzende des Gerichts[3] in sämtlichen Räumen, in denen gleichzeitig verhandelt wird, die sitzungspolizeilichen Befugnisse ausüben kann. Ist das nicht sichergestellt, ist die Sitzung abzubrechen. Gem. § 169 GVG ist die Verhandlung vor dem "erkennenden Gericht" öffentlich. Entgegen der Auffassung in der Vorkommentierung ist die Öffentlichkeit nur für den Sitzungssaal herzustellen, nicht für die Orte, an denen sich die Personen befinden, die per Videokonferenz zugeschaltet werden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 91a Abs. 1 S. 1 FGO, wonach das Gericht den Personen gestatten kann, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten. Dieser andere Ort ist daher nicht der Ort der mündlichen Verhandlung[4]. Da zur Wahrung des Steuergeheimnisses gem. § 52 Abs. 2 FGO Kläger und Beigeladene jederzeit den Ausschluss der Öffentlichkeit verlangen können, ist im Fall eines solchen Antrags die Videokonferenz abzubrechen, wenn nicht sichergestellt ist, dass sämtliche beteiligten Räume vollständig übersehen werden und bei der Übertragung der Videosignale Unbeteiligte keine Kenntnis erlangen können.

[4] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 91a FGO Rz. 4; Schallmoser, in HHSp, AO/FGO, § 91a FGO Rz. 33; Stapperfend, in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 52 FGO Rz. 4; vgl. auch Schmieszek, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 91a FGO Rz. 15.

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