1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 78 FGO regelt das Akteneinsichtsrecht der Beteiligten und die Erteilung von Abschriften u. Ä. aus den Akten. Die Vorschrift ist Ausdruck der Gewährung rechtlichen Gehörs. Hierfür genügt es, dass die Beteiligten die Gelegenheit erhalten, die Akten (Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten) einzusehen. Ob sie dieses Recht tatsächlich wahrnehmen, bleibt den Beteiligten überlassen.

 

Rz. 2

Änderungen des § 78 FGO betrafen im Wesentlichen Regelungen für den elektronischen Rechtsverkehr sowie Anpassungen im Zusammenhang mit der Einführung elektronisch geführter Prozessakten. Zunächst wurde § 78 FGO mit Wirkung ab 1.4.2005 durch das Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JKomG) v. 22.3.2005[1] teilweise neu gefasst. Die wesentliche Neuerung betraf den elektronischen Zugriff der Bevollmächtigten auf die Akte sowie die elektronische Übermittlung des Inhalts der Akte an Bevollmächtigte.

Mit Wirkung ab 1.1.2018 wurde § 78 FGO durch das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs[2] geändert. Damit wurde die Regelung zur Akteneinsicht auf die elektronisch geführte Prozessakte angepasst, die ab dem 1.1.2026 für die Gerichte verpflichtend vorgesehen ist.[3] § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO wurde nunmehr als § 78 Abs. 1 Satz 2 FGO angefügt. Die Absätze 2 und 3 wurden neu gefasst und der bisherige Abs. 3 wurde zu Abs. 4.

[1] BGBl I 2005, 837, 844.
[2] Gesetz vom 5.7.2017, BGBl I 2017, 2208.
[3] § 52b Abs. 1a FGO i. d. F. des Gesetzes vom 5.7.2017, BGBl I 2017, 2208.

1.1 Kein Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren

 

Rz. 3

Anders als den Beteiligten eines allgemeinen Verwaltungsverfahrens[1] gewährt die AO den Beteiligten des Finanzverwaltungsverfahrens kein Akteneinsichtsrecht. Die Gewährung von Akteneinsicht steht vielmehr im Ermessen der Finanzbehörden.[2] An einer rechtlichen Begründung für diese gesetzgeberische Entscheidung fehlt es. Allerdings kann die Akteneinsichtnahme infolge § 78 Abs. 1 FGO bei dem FA – i. d. R. unter Aufsicht – vorzunehmen sein, wenn die den Streitfall betreffenden Akten noch nicht gem. § 71 Abs. 2 FGO an das Gericht übersandt wurden. Das Gericht kann auf diese Möglichkeit formlos verweisen.[3] Hingegen verstößt ein Beschluss des FG über die Einsicht in Akten, die ihm selbst nicht vorliegen, gegen § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO.[4]

 

Rz. 4

Die Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, mit der die Akteneinsicht abgelehnt wurde, kann mit der Verpflichtungsklage angegriffen werden.[5] Nach Abschluss des Steuerfestsetzungsverfahrens reduziert sich der Ermessensspielraum jedoch zunächst auf Null, sodass Akteneinsicht nicht zu gewähren ist.[6] Wird dann jedoch Klage erhoben, kann das Ermessen in Gegenrichtung eingeschränkt sein.[7]

 

Rz. 5

§ 78 FGO betrifft nur die Einsichtnahme in die dem Gericht in einem Finanzgerichtsverfahren vorgelegten Akten. Das gem. § 33 FGO vor den Finanzgerichten zu verfolgende Begehren auf Einsichtnahme in andere Akten der Finanzbehörden richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Das Begehren ist als allgemeine Leistungsklage zu verfolgen.[8] Vollstreckt wird ein erstrittenes Akteneinsichtsrecht nach § 888 ZPO bzw. § 883 Abs. 2 und 3 ZPO analog, wenn Streit über die Vollständigkeit der vorzulegenden Akten besteht.[9]

 

Rz. 6

Seit dem 25.5.2018 besteht des Weiteren ein Auskunftsanspruch über personenbezogene Daten einer Person gem.Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung; EU-DSGVO)[10], wobei § 32c AO zu beachten ist. Für Streitigkeiten über diesen Auskunftsanspruch ist gem. § 32i AO – ohne Vorverfahren[11] – der Finanzrechtsweg gegeben.

[1] Vgl. § 29 i. V. m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG.
[6] FG Mecklenburg-Vorpommern v. 23.6.1994, I 174/93, EFG 1995, 50.
[8] Vgl. wegen des Anspruchs auf Einsicht in die Akten eines eingestellten Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung Niedersächsisches FG v. 8.12.1992, I 368/89, EFG 1993, 531.
[10] Abl EU L Nr. 119 v. 4.5.2016, 1ff.

1.2 Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör

 

Rz. 7

Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes des Einzelnen gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt[1] ist es bei Vorlagepflicht der den Streitfall betreffenden Akten an das Gericht durch den Beklagten[2], bei Amtsermittlungspflicht des Gerichts[3] und bei Aktenvorlagepflicht sämtlicher Behörden und Gerichte[4] Ausdruck des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei Gericht[5], dass die Beteiligten die Gerichts- und die dem Gericht vorli...

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