1 Grundlagen

1.1 Begriffsbestimmung

 

Rz. 1

Die verfahrensrechtliche Rechtsstellung als Beteiligter des gerichtlichen Verfahrens (s. Rz. 6) erfordert die Fähigkeit, Träger verfahrensrechtlicher Rechte und Pflichten sein zu können. Diese Beteiligtenfähigkeit ist die verfahrensrechtliche Komponente der materiellen Steuerrechtsfähigkeit (s. § 57 FGO Rz. 16).

 

Rz. 2

Die Prozessfähigkeit setzt Beteiligtenfähigkeit (s. Rz. 1) voraus. Die Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit der Beteiligten[1], im gerichtlichen Verfahren (s. Rz. 6) rechtswirksame Handlungen selbst vornehmen bzw. entgegennehmen (s. Rz. 8) zu können oder durch einen von ihnen selbst bestellten Bevollmächtigten[2] vornehmen zu lassen (vgl. Drüen, in T/K, AO, § 58 FGO Rz. 1; v. Groll, in Gräber, FGO, § 58 Rz. 1). Der Beteiligte kann also die ihm im Steuerrechtsverhältnis (s. Rz. 1) eingeräumten Rechte bzw. auferlegten Pflichten selbst geltend machen oder erfüllen und die erforderlichen Verfahrenshandlungen (s. Rz. 7, 8) gegenüber dem Gericht vornehmen.

 

Rz. 3

Die Prozessfähigkeit ist eine verfahrensrechtliche Eigenschaft des Beteiligten. Sie entspricht grundsätzlich der Handlungsfähigkeit des Beteiligten im Besteuerungsverfahren (§ 79 AO; s. aber Rz. 5).

Grundsätzlich umfasst die Prozessfähigkeit auch die Postulationsfähigkeit, also die Fähigkeit, selbst vor einem bestimmten Gericht auftreten und wirksam Prozesshandlungen vornehmen zu können. Nur in den Fällen des Vertretungszwangs beim BFH (s. § 62a FGO Rz. 2) entfällt sie, wenn der Beteiligte oder der Bevollmächtigte nicht zum Kreis der in § 3 Nr. 1 StBerG genannten Personen gehört (s. § 62a FGO Rz. 24).

1.2 Bedeutung

 

Rz. 4

§ 58 FGO regelt die rechtliche Handlungsfähigkeit des Beteiligten[1] im Verfahren (s. Rz. 9). Sie ist zu unterscheiden von der natürlichen Handlungsfähigkeit einer Person, also z. B. der Fähigkeit zur Auskunftserteilung (wegen der Fähigkeit zur Vertretung s. § 62 FGO Rz. 36).

 

Rz. 5

Die Prozessfähigkeit wird allein durch § 58 FGO bestimmt[2] und ist unabhängig von der Handlungsfähigkeit im Besteuerungsverfahren nach § 79 AO[3].

 

Rz. 6

Die Prozessfähigkeit muss für jede Verfahrenshandlung (s. Rz. 7, 8) jedes Beteiligten[4] und des Gerichts gegenüber dem Beteiligten in allen finanzgerichtlichen Verfahren vorliegen[5]. Sie ist Sachentscheidungsvoraussetzung[6] und zugleich Prozesshandlungsvoraussetzung, deren Fehlen die Verfahrenshandlung regelmäßig unwirksam macht (s. z. B. BFH v. 15.12.1999, XI R 75/97, BFH/NV 2000, 1067; BFH v. 11.12.2001, VI R 19/01, BFH/NV 2002, 651 m. w. N.; BFH v. 14.12.2004, III B 115/03, BFH/NV 2005, 713; zur Heilung s. aber Rz. 28).

Das Vorliegen der Prozessfähigkeit ist von Amts wegen[7] in jedem Stadium des jeweiligen Verfahrens zu beachten (vgl. z. B. schon BFH v. 19.3.1965, III 248/64 U, BStBl III 1965, 370; BFH v. 9.9.2004, III B 165/03, n. v.; BFH v. 26.11.2007, III B 3/07, n. v.; Drüen, in T/K, AO, § 58 FGO Rz. 10; s. Rz. 32, 36). Die Prozessunfähigkeit ist auch dann zu berücksichtigen, wenn sie von keinem Beteiligten beanstandet wird[8]. Anlass für gerichtliche Ermittlungen besteht, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die die Prozessfähigkeit als zweifelhaft erscheinen lassen. In diesem Fall muss das FG sich von der Prozessfähigkeit des Beteiligten – ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – überzeugen[9]. Wirkt der Beteiligte an der Aufklärung aber nicht weiter mit, so muss das Gericht nicht weiter ermitteln[10].

Zu den Rechtsfolgen der Prozessunfähigkeit für das anhängige Verfahren s. Rz. 32.

2 Vornahme von Verfahrenshandlungen

 

Rz. 7

Verfahrenshandlungen i. d. S. sind alle das Verfahren gestaltenden oder bestimmenden Handlungen der Beteiligten oder des Gerichts (vgl. Drüen, in T/K, AO, § 58 FGO Rz. 1; Spindler, in HHSp, AO, § 58 FGO Rz. 9), also alle Maßnahmen jeglichen Inhalts, wie Willenserklärungen, Wissenserklärungen oder Realakte, die sich auf das gerichtliche Verfahren auswirken. Hierzu zählen die Maßnahmen im laufenden Verfahren, aber auch die ein Verfahren erst auslösenden Maßnahmen, wie z. B. die Klageerhebung und Antragstellung, oder die das Verfahren beendenden Maßnahmen, wie die Klagerücknahme oder Erledigungserklärung[1].

 

Rz. 8

Die "Vornahme" umfasst sowohl aktive Handlung des Beteiligten oder des Gerichts, wie z. B. ...

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