Rz. 26

Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann eine Gerichtsperson zunächst

  • sowohl in Fällen der Ausschließung kraft Gesetzes
  • als auch wegen Besorgnis der Befangenheit

abgelehnt werden. Darüber hinaus kommt nach § 51 Abs. 1 Satz 2 FGO eine Ablehnung in Betracht, wenn von der Mitwirkung der Gerichtsperson die Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses oder Schaden für die geschäftliche Tätigkeit eines Beteiligten zu besorgen ist. Dabei muss die Gefahr bestehen, dass Umstände, die durch die Mitwirkung bekannt werden, zum geschäftlichen Nachteil des Beteiligten verwendet werden.[1] Denkbar ist dies z. B., wenn ein (ehrenamtlicher) Richter in einem ähnlichen Bereich tätig ist, wie der Beteiligte.[2] Der Ablehnung steht insoweit nicht entgegen, dass der Richter kraft Amtes gem. § 30 AO i. V. m. § 7 AO und §§ 43, 45 Abs. 1 Satz 2 DRiG zur Wahrung des Beratungs- und Steuergeheimnisses verpflichtet ist.

[1] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 FGO Rz. 31..
[2] Leipold, in HHSp, AO/FGO, § 51 FGO Rz. 96; Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl. 2019, § 51 Rz. 63.

3.2.1 Besorgnis der Befangenheit

 

Rz. 27

Die Besorgnis der Befangenheit ist nach der Legaldefinition des § 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich voreingenommen ist[1] oder sich selbst als befangen ansieht.[2] Andererseits reicht eine rein subjektive Besorgnis der Beteiligten nicht aus.[3]

 

Rz. 28

Entscheidend ist vielmehr, ob ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden wird.[4] Die beanstandete Besorgnis der Befangenheit ist jedenfalls nicht gerechtfertigt, wenn das beanstandete Verhalten sachbezogen und nachvollziehbar erscheint, d. h. das Gericht in angemessener Weise auf das Verhalten eines Prozessbeteiligten reagiert.[5]

 

Rz. 29

Die eine Besorgnis der Befangenheit begründenden Umstände können sich aus der persönlichen Beziehung des Richters oder aus seiner richterlichen Tätigkeit in dem konkreten Gerichtsverfahren ergeben. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die engen Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nach § 41 ZPO nicht vorliegen, ein Mitglied des zuständigen Gerichts aber in vergleichbarer Weise zum Richter in eigener Sache zu werden droht.[6]

[1] St. Rechtsprechung, z. B. BFH v. 4.7.1985, V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555 und BFH v. 13.5.1998, IV B 104/97, BFH/NV 1999, 46.
[2] BVerfG v. 7.12.1976, 1 BvR 460/72, BVerfGE 43, 126; BFH v. 23.9.2004, IX B 98/04, BFH/NV 2005, 234.
[3] BVerfG v. 25.1.1972, 2 BvA 1/69, BVerfGE 32, 288; BFH v. 4.7.1985, V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555.
[4] BVerfG v. 7.12.1976, 1 BvR 460/72, BVerfGE 43, 126 und BVerfG v. 24.4.1996, 2 BvR 1639, 94, NJW 1996, 2022; BFH v. 23.9.2004, IX B 98/04, BFH/NV 2005, 234; BFH v. 5.9.2018, XI R 45/17, BFH/NV 2019, 37.

3.2.2 Persönliche Befangenheitsgründe

 

Rz. 30

Ablehnungsgründe können sich daher zunächst aus der persönlichen Beziehung des Richters zum Verfahrensgegenstand oder zu einem Beteiligten ergeben. Dies können freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen des Richters zu einem der Beteiligten oder zum Prozessbevollmächtigten eines Beteiligten sein. Gleiches gilt im umgekehrten Falle eines feindseligen oder spannungsgeladenen Verhältnisses. So führt z. B. die Ehe oder Lebenspartnerschaft oder ein Verwandtschaftsverhältnis der Gerichtsperson mit anderen Verfahrensteilnehmern als den Beteiligten nicht zur Ausschließung der Gerichtsperson nach § 41 Nr. 2 und Nr. 2a sowie Nr. 3 ZPO, kann aber Grund für die Besorgnis der Befangenheit sein.

 

Rz. 31

Der Befangenheitsgrund muss dabei grundsätzlich in Bezug auf einen Prozessbeteiligten gegeben sein. Lassen Gründe in der Person eines anderen als des Beteiligten die Unvoreingenommenheit des Richters zweifelhaft erscheinen, ergibt sich für den Beteiligten hieraus nur dann ein Ablehnungsrecht, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass sich das Verhältnis zum Dritten auf die innere Einstellung des Richters zu einem Beteiligten oder zum Gegenstand des Verfahrens auswirkt.[1] Derartige Gründe sind grundsätzlich auch bei Bestehen einer besonderen Beziehung zwischen Richter und Zeugen denkbar, wenn bei den objektiv gegebenen Umständen der Eindruck entstehen könnte, dass die Würdigung der Zeugenaussage nicht allein nach objektiven Umständen erfolgt.[2] Ein kollegiales Verhältnis allein rechtfertigt aber die Annahme der Befangenheit noch nicht, weder in Bezug auf einen Beteiligten, noch in Bezug auf einen Zeugen. Gleiches gilt für die Mitgliedschaft in einem größeren Kollegialgericht; anders kann es aber sein aufgrund einer engeren Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern eines Spruchkörpers oder in kleineren Kollegialgerichten. Auch die Mitwirkung des Ehegatten oder Lebenspartners eines Rechtsmittelrichters...

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