Rz. 10

Nach § 41 Nr. 1 ZPO ist ein Richter von der Ausübung seines Richteramtes in einem Verfahren ausgeschlossen, in dem er selbst Partei ist oder in dem er zu einem Beteiligten im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht. Die Regelung ist Ausfluss des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf.[1]

Partei ist nach allgemeiner Meinung jeder, gegenüber dem die Sachentscheidung nach § 110 Abs. 1 FGO Bindungswirkung entfaltet. Dies sind in erster Linie die Beteiligten i. S. des § 57 FGO und deren Rechtsnachfolger, daneben aber auch z. B. im Falle eines Rechtsstreits einer Personengesellschaft deren nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO nicht klageberechtigte Gesellschafter oder Gemeinschafter.[2] Auch wenn das Urteil grundsätzlich nicht gegen Mitverpflichtete oder Regresspflichtige wirkt, sind sie kraft Gesetzes ausgeschlossen, weil sie ein erhebliches eigene Interesse am Ausgang des Verfahrens haben.[3] Das hierin begründete Näheverhältnis zum Ausgang des Verfahrens liegt z. B. vor bei Zugehörigkeit des Richters zu einer Gläubiger- oder Schuldnermehrheit nach § 421ff. BGB, bei gesamtschuldnerischer Haftung[4] wie die eines Bürgen oder bei steuerlicher Mithaftung.[5] Ob eine Mitverpflichtung in diesem Sinne gegeben sein kann bei Mitgliedschaft in einem (nicht) rechtsfähigen Verein und bei einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, wird in der Literatur aber überwiegend abgelehnt[6], da nur ein mittelbares Interesse am Verfahrensausgang für eine Ausschließung nicht genügt.

Dagegen wird ein Richter nicht bereits deshalb zur Partei, weil es in dem angefochtenen Urteil wesentlich um das eigene Verhalten des mitwirkenden Richters geht, er aber nicht Beteiligter ist. Auch ein Ausschluss wegen des Verhältnisses eines Regresspflichtigen im Hinblick auf einen etwaigen Amtshaftungsanspruch scheidet aus, da sich eine solche Regresspflicht aus dem Streitgegenstand des Verfahrens ergeben muss. Eine etwaige Regresspflicht wegen fehlerhafter Verfahrensführung ist kein Fall des § 41 Nr. 1 ZPO.[7]

In einem solchen Fall können die Beteiligten daher ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf einen neutralen und unabhängigen Richter nur durch Anbringung eines Ablehnungsgesuchs durchsetzen.[8]

[1] Vollkommer, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 41 ZPO Rz. 6.
[2] So auch Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 FGO Rz. 8.
[3] Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl. 2019, § 51 Rz. 8.
[6] Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl. 2019, § 51 Rz. 8; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 FGO Rz. 6; Vollkommer, in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 41 ZPO Rz. 6; anders aber für ein Mitglied eines nichtrechtsfähigen Vereins Schoenfeld, in Gosch, AO/FGO, § 51 FGO, Rz. 18 und Leipold, in HHSP, AO/FGO, § 51 FGO Rz. 16.

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