Rz. 3

Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird eine umfassende (erstinstanzliche) sachliche Zuständigkeit der FG für alle Rechtsstreitigkeiten des Finanzrechtswegs nach § 33 FGO begründet, unabhängig vom Streitwert, vom Streitgegenstand und davon, ob auf Seiten der Finanzverwaltung eine Landesfinanzbehörde oder eine Bundesfinanzbehörde beteiligt ist. Die Zuständigkeit des FG beginnt mit Einreichung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes und endet denklogisch mit der Rechtskraft der finanzgerichtlichen Entscheidung bzw. der Rechtsmitteleinlegung beim BFH.[1] Danach richtet sich die Zuständigkeit des BFH nach § 36 FGO.

 

Rz. 4

Abweichend vom Grundsatz des § 35 FGO ist allerdings (bedauerlicherweise ohne einen entsprechenden Hinweis in den §§ 35, 36 FGO) der BFH in erster und letzter Instanz zuständig für

  • Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer eines finanzgerichtlichen Verfahrens[2],
  • das sog. "in-camera"-Verfahren[3] – d. h. für eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Verweigerung der Vorlage von Urkunden, Akten usw. durch Behörden – und
  • in äußerst seltenen Fällen für ein Ablehnungsgesuch nach § 51 FGO wegen der Besorgnis der Befangenheit eines FG-Richters, wenn das FG durch Selbstablehnung aller Richter beschlussunfähig geworden ist.[4]
 

Rz. 5

Die sachliche Zuständigkeit der FG besteht primär für das Klageverfahren.[5] In diesem Rahmen haben die FG auch über entscheidungserhebliche Vorfragen aus anderen Rechtsgebieten zu entscheiden[6] und können Vorlagen an das BVerfG im Wege einer konkreten Normenkontrolle[7] sowie Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH im Zusammenhang mit der Auslegung primären oder sekundären Unionsrecht[8] richten.

 

Rz. 6

Daneben umfasst die sachliche Zuständigkeit der FG auch die Zuständigkeit als Vollstreckungsgericht für die Kosten des Verfahrens[9], die gegen (nicht mit Rechtsmitteln zum BFH anfechtbare) Entscheidungen der FG erhobenen Anhörungsrügen[10] sowie die selbständigen Nebenverfahren wie die

 

Rz. 7

Für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung sind die FG aber nur solange funktionell zuständig, wie sie Gericht der Hauptsache i. S. d. § 69 Abs. 3 S. 1 FGO sind. D. h. das FG ist für den Aussetzungsantrag zuständig, wenn ein Verfahren, dessen zugrunde liegender Verwaltungsakt ausgesetzt werden soll, bei ihm bereits anhängig ist oder voraussichtlich anhängig sein wird.[11]

Die Zuständigkeit des FG entfällt erst mit Eintritt der Rechtskraft seines Urteils bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem beim BFH ein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil anhängig geworden ist.[12] Mit Einlegung eines Rechtsmittels ist der BFH das Gericht der Hauptsache und insoweit funktionell für den Aussetzungsantrag zuständig.[13] D. h. zwischen den Instanzen bleiben die FG funktionell zuständig. Allerdings wird bereits mit einem Prozesskostenhilfeantrag für das Rechtsmittel beim BFH die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts als Gericht der Hauptsache begründet.[14]

Folgerichtig wird der BFH nicht deshalb zum Gericht der Hauptsache, weil bei ihm eine Nichtzulassungsbeschwerde in einem Parallelverfahren desselben Stpfl. anhängig ist, in dem die gleichen materiell-rechtlichen Fragen strittig sind, die sich auch hinsichtlich der Verwaltungsakte stellen, deren Aussetzung der Vollziehung im Einspruchs- und erstinstanzlichen Klageverfahren begehrt wird.[15]

Hat das FG ausnahmsweise über einen Aussetzungsantrag in diesem Zeitpunkt noch nicht entscheiden oder hat der Kläger erst nach Einlegung eines Rechtsmittels beim FG die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts beantragt, muss sich das FG hierfür für (funktionell) unzuständig erklären und das Aussetzungsverfahren durch förmlichen Beschluss an den BFH verweisen.[16] Ist der BFH hiernach (noch) nicht zuständig, hat er das Aussetzungsverfahren an das zuständige FG zu verweisen.[17]

 

Rz. 8

Wird die finanzgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache vom BFH aufgehoben und an das FG zurückverwiesen[18], wird das FG nicht nur sachlich im zweiten Rechtsgang für die Hauptsache wieder zuständig, sondern auch für eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung[19], es sei denn, der BFH hat bereits die Aussetzung der Vollziehung ohne zeitliche Begrenzung bzw. bis zur Rechtskraft der Entscheidung gewährt.[20]

 

Rz. 9

Demgegenüber ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 114 Abs. 2 S. 1 und 2 FGO stets das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig, so dass die FG selbst dann noch für die Entscheidung funktionell zuständig sind, wenn die Hauptsache bereits im Rechtsmittelverfahren beim BFH anhängig ist.[21] Der BFH hat die an ihn gerichteten Anträge daher in entsprechender Anwendung des § 70 ...

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