Rz. 7

Für die Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Abgrenzung zur bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit, für die nach § 13 GVG die ordentlichen Gerichte zuständig sind, vorliegt, ist die Natur des Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch nach dem tatsächlichen Sachvortrag des Klägers hergeleitet wird.[1] Allerdings ist bisher nicht abschließend geklärt, nach welchen Kriterien zwischen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zu differenzieren ist. Nach der sog. Interessentheorie soll es darauf ankommen, ob das maßgebliche Recht oder der Anspruch bzw. die betroffene Aufgabe dem öffentlichen Interesse dient. Demgegenüber stellt die sog. Subordinationstheorie auf die Existenz einer Über- und Unterordnung der am Rechtsverhältnis Beteiligten ab. Nach der vorzugswürdigen sog. Sonderrechtstheorie richtet sich die Rechtsnatur der Streitigkeit nach der Rechtsnatur der streitentscheidenden Normen. Eine Rechtsnorm ist hiernach wiederum dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn sie zumindest auf der einen Seite ausschließlich einen Hoheitsträger – in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger – rechtlich verpflichtet oder berechtigt. Die Praxis der Rechtsprechung kombiniert die vorgenannten Theorien regelmäßig unter dem maßgeblichen Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs und macht sich dabei auch den Umstand zunutze, dass im Regelfall nicht bezweifelt wird, ob die streitentscheidenden Rechtsnormen dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzurechnen sind.[2]

Für die Abgrenzung zivilrechtlicher (bürgerlich-rechtlicher) Streitigkeiten von öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten kommt es im Ergebnis daher regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt.[3] Auf das dem Rechtsstreit zugrunde liegende konkrete Rechtsverhältnis kommt es an, weil aus einem öffentlich-rechtlichen Grundverhältnis dem Privatrecht zuzurechnende Rechtsbeziehungen folgen können, wozu auch das durch Gleichordnung gekennzeichnete Prozessrechtsverhältnis gehören kann. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann aber auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Gleichordnungsverhältnisse sind öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschenden Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben sind, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wendet.[4]

In Zweifelsfällen ist der Gesichtspunkt der Sachnähe mit heranzuziehen. Es sollen möglichst die Gerichte entscheiden, die für die betreffende Rechtsmaterie besondere Sachkunde besitzen. Dieses Kriterium wird insbesondere dann bedeutsam, wenn öffentlich-rechtliche und bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnisses ineinander verzahnt sind. Dann ist entscheidend, welches Rechtsverhältnis für die Entscheidung des Rechtsstreits im Mittelpunkt steht. Gleichzeitig soll eine unerwünschte Aufspaltung der Rechtswegzuständigkeit vermieden werden.[5]

Im Ergebnis ist daher nach der Rechtsnatur des streitigen Rechtsverhältnisses zu fragen, d. h. danach, welche Rechtssätze für die Beurteilung des Klagebegehrens in Anspruch genommen werden können bzw. welchen Rechtssätzen die abzuwehrende Handlung zuzuordnen ist.[6] Dabei ist vom Sachvortrag des Klägers i. S. einer Schlüssigkeitsprüfung auszugehen, nicht jedoch von dessen rechtlicher Würdigung.[7] D. h. eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist zu bejahen, wenn sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der nach dem öffentlichen Recht zu beurteilen ist bzw. von Rechtssätzen des öffentlichen Rechts geprägt ist.[8]

 

Rz. 8

Im Regelfall bestehen keinerlei Bedenken, die Rechtsstreitigkeiten mit den als Hoheitsträger tätig gewordenen Finanzbehörden dem öffentlichen Recht zuzuordnen, soweit diese im Rahmen der hoheitlichen Eingriffsverwaltung das Abgabenrecht anwenden. Das Abgabenrecht ist eindeutig dem öffentlichen Recht zuzuordnen und ordnet die Rechtsbeziehung zwischen den steuerberechtigten Körperschaften des öffentlichen Rechts (Steuergläubiger) auf der einen Seite (Überordnung) gegenüber den gesetzesunterworfenen Stpfl. (Unterordnung). Der Steueranspruch selbst ist unzweifelhaft öffentlich-rechtlicher Natur, sodass für Streitigkeiten über Steueransprüche der Finanzrechtsweg gegeben ist. Als Kehrseite des Anspruchs des Steuergläubigers ist selbstverständlich auch ein hiermit im Zusammenhang stehender Erstattungsanspruch des Steuerschuldners oder ein Rückforderungsanspruch der Finanzbehörde öffentlich-rechtlicher Natur (Rz. 11).

Grenzfälle können sich insoweit im Zusammenhang mit der Steuererhebung[9] und dem Rechtsweg nach § 23 EGGVG für sog. Justizverwaltungsakte der Steuerfahndung (Rz. 34) er...

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