1 Grundlagen

1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Das Recht der Prozesskostenhilfe ist durch Gesetz v. 13.6.1980[1] mit Wirkung ab 1.1.1981 an die Stelle des früheren Armenrechts getreten. Es soll auch im Prozess vor den FG dem finanziell minderbemittelten Beteiligten gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten.

Mit der Neuregelung sollte zum einen die mit der Bezeichnung Armenrecht verbundene diskriminierende Wirkung des bedürftigen Rechtsuchenden beseitigt, zum anderen neben der völligen Freistellung von der Kostenlast auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung ermöglicht werden.

Die ursprünglich ebenfalls eingeführte Neuerung, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe stets endgültige Wirkung haben sollte und deshalb auch bei Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Begünstigten nicht widerrufen werden konnte, ist als unbefriedigend empfunden und durch Gesetz v. 9.12.1986, BGBl I 1986, 2326 rückgängig gemacht worden.[2]

Ergänzend zur Gewährung der Chancengleichheit im gerichtlichen Verfahren der Prozesskostenhilfe ist die Einführung einer – vorprozessualen – Beratungshilfe für einkommensschwache Personen getreten.[3]

[1] BGBl I 1980, 677.
[3] Beratungshilfegesetz v. 18.6.1980, BGBl I 1980, 689 i. d. F. d. Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts v. 31.8.2013, BGBl I 2013, 3533.

1.2 Rechtsgrundlagen

 

Rz. 2

Die FGO enthält keine eigene Regelung der Prozesskostenhilfe. Vielmehr verweist § 142 Abs. 1 FGO auf die Vorschriften der ZPO, die sinngemäß gelten. Dort ist das Recht der Prozesskostenhilfe in den §§ 114127a ZPO geregelt. Anstelle von Partei ist dort Beteiligter[1] zu lesen, wobei die Behörde als Beteiligte nicht in Betracht kommt.

Ergänzend sind zur Ermittlung des für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblichen Einkommens und Vermögens die §§ 82 und 90 BSHG heranzuziehen.

Abweichend von dem Recht der Prozesskostenhilfe nach der ZPO kann einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, im Finanzgerichtsprozess auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden[2], da dieser vor den FG einschließlich des BFH postulationsfähig ist, d. h., dass er im Verfahren vor den FG auftreten und Anträge stellen kann.

Dieser Kommentierung liegen die §§ 114ff. ZPO i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts v. 31.8.2013 zugrunde, das am 1.1.2014 in Kraft trat.[3]

[3] BGBl I 2013, 3533.

1.3 Kostenbegriff

 

Rz. 3

Der Kostenbegriff des Prozesskostenhilferechts ist enger als der des § 139 Abs. 1 FGO. Er umfasst die rückständigen, gleichzeitig und zukünftig entstehenden Gerichtskosten sowie die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts oder Steuerberaters.[1] Damit deckt die Prozesskostenhilfe nicht das gesamte Kostenrisiko des Rechtsstreits ab. So hat nach § 123 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten – im Fall des Unterliegens – zu erstatten, keinen Einfluss. Da jedoch im Unterschied zu den Parteien des Zivilprozesses die Finanzbehörden im finanzgerichtlichen Verfahren keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Auslagen haben[2], ist das verbleibende Kostenrisiko denkbar gering.

Die Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts oder Steuerberaters berechnen sich abweichend von den Regelgebühren[3] Bestimmen sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert, werden bei einem Gegenstandswert von mehr als 4.000 EUR (nach altem Recht 3.000 EUR) anstelle der Gebühr nach § 13 Abs. 1 RVG folgende Gebühren vergütet:

 
Gegenstandswert bis… EUR Gebühr (a. F.)…EUR Gebühr (ab 1.8.2013)…EUR Gegenstandswert bis… EUR Gebühr (a. F.)…EUR Gebühr (ab 1.8.2013)…EUR
3.500 195   10.000 242 307
4.000 204   13.000 246 321
4.500 212   16.000 257 335
5.000 219 257 19.000 272 349
6.000 225 267 22.000 293 363
7.000 230 277 25.000 318 377
8.000 234 287 30.000 354 412
9.000 238 297 über 30.000 391 447

Bei einem Gegenstandswert unter diesen Beträgen entsprechen die Gebühren den Regelgebühren nach § 13 Abs. 1 RVG.

Nach Deckung der in § 122 Abs. Nr. 1 ZPO bezeichneten Kosten und Ansprüche hat die Staatskasse über die auf sie übergegangenen Ansprüche des Rechtsanwalts hinaus bis zur Höhe der Regelvergütung einzuziehen, wenn das nach den Vorschriften der ZPO und den Bestimmungen, die das Gericht getroffen hat, zulässig ist. Die weitere Vergütung ist festzusetzen, wenn das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung oder in sonstiger Weise beendet ist und von dem Beteiligten zu zahlende Beträge beglichen sind oder wegen dieser Beträge eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Beteiligten erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint.[4]

1.4 Anspruchsberechtigte

 

Rz. 4

Soweit die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen, kann – abgesehen von der Finanzbehörde – jeder Beteiligte Prozesskostenhilfe beanspruchen.[1] Der Kreis der Anspruchsberechtigten umfasst nicht nur natürliche Per...

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