Rz. 63

Die Revisionszulassung nach Abs. 2 Nr. 1 und 2 dient vorrangig dem Allgemeininteresse an der Rechtsfortbildung und Rechtseinheit. Die als grundsätzlich bedeutsam bzw. divergierend herausgestellte Rechtsfrage soll wegen ihrer Auswirkung auf andere Sachverhalte einer generellen Klärung zugeführt werden. Mit diesem Zweck wäre es unvereinbar, die Revisionszulassung von dem vermutlichen Ausgang des Rechtsstreits abhängig zu machen. Die Erfolgsaussichten der Revision dürfen deshalb bei den Zulassungsgründen gem. Abs. 2 Nr. 1 und 2 grundsätzlich keine Rolle spielen.[1]

Anders dagegen bei der Verfahrensrevision, deren Zweck in erster Linie dem Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gerechten Entscheidung des Einzelfalls entgegenkommt. Hier findet § 126 Abs. 4 FGO entsprechend Anwendung, sodass die Erfolgsaussichten der künftigen Revision bereits bei der Entscheidung über die Zulassung zu berücksichtigen sind.[2] Auch wenn das FG einen Verfahrensfehler begangen hat, der für sein Urteil erheblich (kausal) war, ist die Revision nicht zuzulassen, wenn sie in der Sache keinen Erfolg haben könnte, weil sich das FG-Urteil im Ergebnis als richtig erweist.[3]

 

Rz. 64

Der unter Rz. 63 für die Revisionszulassung nach Abs. 2 Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung) und Nr. 2 (Rechtsfortbildung, Sicherung der Rechtsprechungseinheit) dargestellte Grundsatz bedarf indes der sachgerechten Einschränkung. Entsprechend § 126 Abs. 4 FGO ist auch bei der Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Rechtsfortbildung oder zur Rechtsprechungseinheit aus Gründen der Prozessökonomie und der fehlenden Entscheidungserheblichkeit der vermutliche Ausgang des Revisionsverfahrens insoweit mit zu berücksichtigen, als die Zulassung der Revision zu versagen ist, sofern sich das angefochtene FG-Urteil aus anderen Gründen, d. h. bereits aufgrund von Erwägungen, die mit der als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Frage bzw. mit der Rechtsfortbildung oder Rechtsprechungseinheit nichts zu tun haben, im Ergebnis als richtig darstellt, auch wenn diese Erwägungen vom FG nicht angestellt worden sind.[4] Bei der Prüfung der "anderen Gründe" ist die Rechtsauffassung des BFH maßgebend.[5]

Die "anderen Gründe" i. S. v. § 126 Abs. 4 FGO, auf die der BFH die zurückweisende Beschwerdeentscheidung stützt, müssen ihrerseits frei von Zulassungsgründen sein.[6] Denn die Entscheidung über Zulassungsgründe sind dem "Vollsenat" (Fünferbesetzung) vorbehalten. Sie können nicht im Beschwerdeverfahren (Dreierbesetzung) entschieden werden. Die Durchführung der Revision erscheint in solchen Fällen nicht sinnvoll, da nicht gewährleistet bzw. konkret damit zu rechnen ist, dass sie zu der angestrebten Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen beitragen kann. Lediglich die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Fragen von grundsätzlicher Bedeutung bzw. die Fortbildungs- und Divergenzfragen müssen außen vor bleiben.

Außerdem erfordert die Gewährung rechtlichen Gehörs, dass der Beschwerdeführer vor der auf die analoge Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO gestützten zurückweisenden Beschwerdeentscheidung des BFH auf die "anderen Gründe" hingewiesen wird und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem bisher nicht erörterten Gesichtspunkt gegeben wird.[7]

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