Rz. 26

Nach Abs. 2 Nr. 2 a. F. (bis 2000; Rz. 1) war die Revision (nur) bei einer Abweichung (Divergenz) des FG von einer Entscheidung des BFH oder des BVerfG zuzulassen. Gleichgestellt wurde von der Rspr. eine Abweichung von einer Entscheidung des GemSOBG.[1] Diese Divergenzfälle, die lediglich Unterfälle der grundsätzlichen Bedeutung darstellen (Rz. 32), werden nunmehr von dem Merkmal der Sicherung der Rechtsprechungseinheit erfasst.[2]

Bei einer Abweichung von der Rspr. anderer Gerichte (insbesondere anderer Bundesgerichte, des BVerfG, des EuGH, aber auch anderer FG) wurde bisher keine Divergenz angenommen. Hier war allerdings die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.[3]

Mit der Neufassung des zweiten Zulassungsgrunds[4] werden auch diese Divergenzfälle der Revisionszulassung zur Sicherung der Rechtsprechungseinheit zugeordnet.[5] Erfasst wird damit jedenfalls die Abweichung von anderen Bundesgerichten und FG.[6] Darüber hinaus umfasst die Revisionszulassung auch Divergenzen zu unteren Instanzen anderer Gerichtszweige (z. B. eines OVG oder LSG). Der BFH formuliert keine entsprechende Einschränkung.[7] Es kommt somit nicht mehr darauf an, von welchem Gericht das FG abgewichen ist.[8]

Die Abweichung vom Urteil eines anderen FG ist jedenfalls unerheblich, wenn dieses Urteil durch neuere höchstrichterliche Rspr. überholt ist.[9]

Auf eine Divergenz zu einer Entscheidung des RFH kann die Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht gestützt werden.[10] Eine Ausnahme kann nur noch in seltenen Fällen gelten, wenn diese Rspr. nicht inzwischen durch eine Entscheidung des BFH überholt ist.[11]

Bei einer vorliegenden und feststellbaren Abweichung ist die Zulassung der Revision im Interesse der Allgemeinheit erforderlich, um das abweichende FG-Urteil durch eine Revisionsentscheidung des BFH aufzuheben oder i. S. einer Rechtsprechungsänderung ggf. ausdrücklich zu bestätigen.

Ebenfalls der Sicherung der Rechtsprechungseinheit zuzuordnen sind die Fälle, in denen das FG – ohne dass bereits Judikate zu der Problematik vorhanden sind – erstmals zu der Rechtsfrage, z. B. zur Auslegung einer neuen Vorschrift, Stellung nimmt und dabei eine Fehlentscheidung trifft, sodass bereits jetzt aus Gründen der präventiven Sicherung der Rechtsprechungseinheit eine Entscheidung des BFH geboten ist, um zu erwartende Unterschiede in der FG-Rspr. zu vermeiden.[12] Hierbei handelt es sich gleichfalls um Unterfälle grundsätzlicher Bedeutung (Rz. 43).

Mit der Neuformulierung der Zulassungsgründe in Abs. 2 Nr. 2 durch das 2. FGOÄndG (Rz. 1) sollte die Revisionszulassung außerdem um die Fälle schwerwiegender unrichtiger Rechtsanwendung durch das FG erweitert werden.[13] Der BFH erfasst diese Fallgruppe nicht unter dem Merkmal der Rechtsfortbildung (Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1), sondern ebenfalls unter dem Kriterium der Sicherung der Rechtsprechungseinheit.[14]

 

Rz. 27

§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO umfasst somit folgende Fallgruppen:

  • Abweichung des FG von der Rspr. des BFH, des GemSOBG oder des BVerfG (bisher Divergenz i. S. v. Abs. 2 a. F. als Unterfall grundsätzlicher Bedeutung; Rz. 32ff.);
  • Abweichung des FG von der Rspr. anderer Gerichtszweige, insbesondere anderer Bundesgerichte (BVerwG, BGH, BAG, BSG), aber auch anderer FG und unterer Instanzen anderer Gerichtszweige (divergierende FG-Rspr.); bisher Fälle grundsätzlicher Bedeutung (Rz. 43);
  • künftig zu erwartende Rechtsprechungsdivergenzen (fällt wie bisher ebenso unter grundsätzliche Bedeutung; Rz. 43);
  • schwerwiegender Rechtsfehler des FG ("qualifizierter Rechtsanwendungsfehler"; neuer Zulassungsgrund ab 2001; Rz. 44f.).

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