Rz. 1

Die Entwicklung des Revisionsrechts ist durch eine zunehmende Beschränkung des Zugangs zum BFH gekennzeichnet.

Nach der FGO v. 6.10.1965[1] war die Revision zulässig, wenn sie vom FG zugelassen wurde (Zulassungsrevision) sowie bei einem Streitwert von 1.000 DM (Streitwertrevision).[2] § 115 Abs. 2 FGO a. F. zählte die Gründe für die Zulassung der Revison auf: grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung des FG-Urteils von einer Entscheidung des BFH oder des BVerfG (Divergenzrevision), Verfahrensmangel des FG (Verfahrensrevision). § 115 Abs. 3 FGO a. F. regelte die Nichtzulassungsbeschwerde, die beim FG einzulegen war. Nach

§ 116 FGO a. F. war bei Rüge eines des in § 116 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 FGO a. F. abschließend aufgeführten schweren Verfahrensmangels (nicht vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Mitwirkung eines ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters, mangelnde Vertretung, Verletzung der Öffentlichkeit, Entscheidung ohne Gründe) eine Zulassung der Revision nicht erforderlich. Außerdem war die Revision ohne Zulassung statthaft in Zolltarifsachen.[3]

Durch das zunächst bis zum 31.12.1980 befristete BFHEntlG [4] wurde die Revisionssumme – ausgenommen die Feststellung von Einheitswerten, Androhung und Festsetzung von Erzwingungsgeld und berufsrechtliche Streitigkeiten – auf 10.000 DM erhöht. Die zeitliche Beschränkung des BFHEntlG wurde mehrfach verlängert und galt bis 31.12.2000.

Die Reform des Revisionsrechts durch das 2. FGOÄndG v. 19.12.2000[5] brachte eine Neufassung der §§ 115, 116 FGO ab 2001.[6] § 115 FGO regelt jetzt nur noch die Statthaftigkeit der Revision (Abs. 1) und zählt abschließend die Gründe für die Zulassung der Revision durch das FG oder auf Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH auf (Abs. 2). Abs. 3 bestimmt als Folge der Zulassung die Bindung des BFH an die Zulassungsentscheidung.

Die bisher in § 115 Abs. 3–5 FGO a. F. enthaltenen Regelungen über die Nichtzulassungsbeschwerde wurden in § 116 FGO zusammengefasst. Die zulassungsfreie Revision bei der Rüge der in § 116 Abs. 1 FGO a. F. abschließend aufgezählten wesentlichen Verfahrensmängel (vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung, Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters, nicht ordnungsgemäße Vertretung, Verletzung der Öffentlichkeit, Entscheidung ohne Gründe) sowie die Revision ohne Zulassung in Zolltarifsachen[7] wurden beseitigt. Seit 2001 ist die Revision daher nach Abs. 1 nur noch statthaft, wenn sie vom FG oder auf Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH ausdrücklich zugelassen worden ist.[8] Die Abschaffung der Streitwertrevison ab 2001 brachte für Verfahren mit hohem Streitwert, die regelmäßig von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind, eine nicht geringe Rechtsschutzeinschränkung.

Das bedeutet: Eine ohne vorherige durch das FG oder auf Nichtzulassungsbeschwerde durch den BFH ausgesprochene Zulassung eingelegte Revision ist von vornherein unzulässig und wird vom BFH ohne jede Prüfung in der Sache durch Beschluss verworfen.[9] Nach der sehr strengen Auffassung des BFH kann eine sonach unzulässige Revision nicht in eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.[10]

 

Rz. 2

Die Gründe für die Zulassung der Revision wurden durch das 2. FGO-ÄndG ab 2001 in Abs. 2 abschließend neu formuliert.[11] Während Nr. 1 (grundsätzliche Bedeutung) und Nr. 3 (Verfahrensmangel) der bisherigen Regelung entsprechen, wurde der zweite Zulassungsgrund – bisher Abweichung (Divergenz) von Entscheidungen des BFH, des GmS-OGB und des BVerfG – neu gefasst.[12] Die Zulassung der Revision ist danach auch zur Rechtsfortbildung und Sicherung der Rechtsprechungseinheit geboten.

Die Neuformulierung des zweiten Zulassungsgrunds hat – entgegen mancher Erwartung – nicht zu einer entscheidend erweiterten Zulassungspraxis geführt. Denn der Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung (Nr. 2 Alt. 1) wurde schon bisher als Spezialfall der grundsätzlichen Bedeutung (Nr. 1) angesehen.[13] Von dem neuen Zulassungsgrund der Sicherung der Rechtsprechungseinheit (Nr. 2 Alt. 2) wird zum einen die bisher schon unter Nr. 2 a. F. geregelte Divergenzrevision erfasst.[14] Zum anderen ermöglicht Nr. 2 n. F. darüber hinaus nunmehr auch die Revisionszulassung in schwerwiegenden Fällen unzutreffender Rechtsanwendung (sog. qualifizierter Rechtsfehler; Rz. 44ff.). Solche Fälle, in denen die Gefahr besteht, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung beschädigt werden und nur durch eine Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wieder hergestellt werden könnte[15], kommen in der Praxis aber kaum vor.

Mit der Abschaffung der zulassungsfreien Revision unterliegt die Revisionszulassung ausschließlich der richterlichen Entscheidung. Diese Zulassungsbeschränkung wurde zur Entlastung des BFH bzw. zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Revisionsinstanz für erforderlich gehalten. Die damit einhergehende Hintanstellung der Einzelfallgerechtigkeit gegenüber dem Allgemeininteresse an der Klärung und Fortbildung des Rechts ist unter Rec...

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