Rz. 30

Fehlt es an der Spruchreife, scheidet ein Verpflichtungsurteil im eigentlichen Sinn gem. § 101 S. 1 FGO aus. Das Gericht kann die Finanzbehörde dann nicht verpflichten, den vom Kläger begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. Kommt in solchen Fällen das Gericht zu der Erkenntnis, dass die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts als solche rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird, hebt es üblicherweise zur Klarstellung den ablehnenden Verwaltungsakt und die Einspruchsentscheidung auf[1] und verpflichtet die Behörde gem. § 101 S. 2 FGO, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Eine Entscheidung in der Sache selbst, nämlich darüber, ob der Kläger einen Rechtsanspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts hat, erfolgt nicht. Damit ist nur die den Kläger beschwerende Ablehnungsentscheidung beseitigt. Über das zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist nichts Endgültiges gesagt. Die Angelegenheit befindet sich wieder im Verwaltungsverfahren. Es ist nun Sache der Behörde, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Regelung zu treffen. Eine Bindungswirkung gem. § 110 Abs. 1 FGO tritt nur insoweit ein, als die Behörde verpflichtet wird, über den Antrag des Klägers auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts nochmals zu entscheiden. Welches Ergebnis die neue Entscheidung hat, liegt bei der Behörde. Das Gericht hat keine umfassende materiell-rechtliche Prüfung des vom Kläger geltend gemachten Rechtsanspruchs auf Erlass des Verwaltungsakts vorgenommen. Lediglich hinsichtlich der von der Behörde angeführten Ablehnungsgründe hat eine Prüfung stattgefunden. Das hat zur Folge, dass einerseits die Behörde auch nur insoweit gem. § 110 Abs. 1 FGO gebunden werden kann, andererseits auch das Gericht in einem nachfolgenden Prozess wegen des neuen Verwaltungsakts ohne Weiteres bei nunmehr erforderlicher umfassender Prüfung zu einem anderen Rechtsstandpunkt gelangen kann.

[1] Vgl. Rz. 1.

3.1 Fehlende Spruchreife

 

Rz. 31

Ein Bescheidungsurteil ergeht grds. subsidiär zu einem Verpflichtungsurteil, wenn die Sache nicht spruchreif ist. Anstelle eines Verpflichtungsurteils im eigentlichen Sinn ergeht dann als ein Weniger ein Bescheidungsurteil. An der Spruchreife für ein Verpflichtungsurteil fehlt es, wenn die Tatsachen, die den vom Kläger geltend gemachten Rechtsanspruch auf Erlass des Verwaltungsakts begründen, vom Gericht nicht festgestellt werden können. Das Gericht muss aber in jedem Fall die für ein Bescheidungsurteil erforderliche Spruchreife herstellen.

 

Rz. 32

Ist Spruchreife für ein Verpflichtungsurteil im eigentlichen Sinn gegeben, könnte dem Kläger für ein Bescheidungsurteil das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Es könnte dem Grundsatz der Prozessökonomie widersprechen, die Verwaltung nur zur Neubescheidung zu verurteilen, wenn der Kläger im gleichen Prozess sein eigentliches Ziel, nämlich die Verpflichtung der Behörde zum Erlass des Verwaltungsakts, erreichen kann. Beharrt der Kläger bei Spruchreife trotz Belehrung durch das Gericht nach § 76 Abs. 2 FGO auf einem Bescheidungsantrag, so ist dennoch ein Bescheidungsurteil zu erlassen unter Abweisung der Klage im Übrigen, da der Streitgegenstand der Bescheidungsklage im Wesentlichen dem der Verpflichtungsklage entspricht. Eine Verurteilung der Behörde zum Erlass des Verwaltungsakts scheidet wegen § 96 Abs. 1 S. 2 FGO aus.[1]

[1] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 101 FGO Rz. 48, 41.

3.2 Ermessen und Beurteilungsspielraum der Verwaltung

 

Rz. 33

Hat der Kläger, obwohl die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig war, keinen Rechtsanspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts durch die Behörde, weil dessen Erlass in deren Ermessen steht oder ihr vom Gesetzgeber bei der Feststellung der für den Erlass des Verwaltungsakts notwendigen Voraussetzungen ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, kommt nur ein Bescheidungsurteil in Betracht. . So kann dies beispielsweise vorliegen, wenn bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen auf der Ebene der Ermessensprüfung (nicht auf der Tatbestandsebene) die Behörde von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist.[1] In solchen Fällen, abgesehen von der Ermessensreduzierung auf Null, hat der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts, sondern allein auf fehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag.[2] Es kommt daher allein aus diesem Grund nur ein Bescheidungsurteil in Betracht. Es handelt sich nicht um ein dem Verpflichtungsurteil gem. § 101 S. 1 FGO subsidiäres Urteil. Vielmehr ist, will der Kläger kein Kostenrisiko tragen, allein ein Bescheidungsantrag zu stellen. Denn nur ein solcher kann begründet sein. Die Sache muss für ein originäres Bescheidungsurteil insoweit spruchreif sein, als die Tatsachen feststehen, die einen Anspruch auf Ermessensentscheidung begründen (Tatbestandsseite), sowie die Tatsachen feststehen, die für die Überprüfung der Verwaltungsentscheidung auf Ermessensfehler durch das Gericht[3] erforderlich sind.

[1] Brandt, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 101 Rz. 32.

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