Rz. 1

Die Finanzgerichtsbarkeit ist Teil der rechtsprechenden Gewalt i. S. v. Art. 92 GG[1] und insoweit ein besonderer Teil der Verwaltungsgerichtsbarkeit.[2] § 1 FGO ist Grundlage der Einrichtung der Finanzgerichtsbarkeit[3] und stellt damit zugleich klar, dass die gerichtliche Tätigkeit in Finanzangelegenheiten[4] nur durch die Finanzgerichtsbarkeit, nicht jedoch durch eine andere Gerichtsbarkeit oder durch die Finanzbehörden ausgeübt werden kann.[5] Die Finanzgerichtsbarkeit ist in Finanzangelegenheiten[6] der gesetzliche Richter i. S. v. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG.[7]

 

Rz. 2

Die Unabhängigkeit der Finanzgerichtsbarkeit besteht

  • zum einen durch die organisatorische Trennung von den Verwaltungsbehörden. Dieser Gesetzeshinweis ist lediglich deklaratorisch. Er ergibt sich bereits aus dem Verfassungsgrundsatz der Teilung der Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 2 GG in die gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt. Demgemäß dürfen dem Gericht auch keine allgemeinen Verwaltungsgeschäfte übertragen werden.[8]

    Das finanzgerichtliche Verfahren ist keine Fortsetzung des finanzbehördlichen Besteuerungsverfahrens, sondern ein eigenständiges Rechtsschutzverfahren gegen das Verhalten der Behörde.[9] Durch die Anhängigkeit des gerichtlichen Verfahrens[10] wird auch die Behörde in ihrer Gestaltungs- und Regelungsbefugnis hinsichtlich des einzelnen Steuerrechtsverhältnisses nicht eingeschränkt.[11] Erst die gerichtliche Entscheidung kann eine inhaltliche Bindung der Behörde in dem jeweiligen Einzelfall bewirken.[12]

    Die frühere Tätigkeit im finanzbehördlichen Verwaltungsverfahren schließt die richterliche Tätigkeit in der Finanzgerichtsbarkeit nicht grundsätzlich aus, sondern ist nur im Rahmen des § 51 FGO zu beachten.[13]

 

Rz. 3

  • zum anderen durch die organisatorische Trennung von den anderen Gerichten. Diese ergibt sich aus einzelnen gesetzlichen Rechtswegregelungen.[14]
 

Rz. 4

  • zudem durch die persönliche und sachliche Unabhängigkeit der dem Gericht angehörenden Richter[15]:

    • Die persönliche Unabhängigkeit des Richters ergibt sich aus der Rechtsstellung als Richter, die eine weitgehende Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit garantiert.[16] Nach § 4 DRiG ist zur Sicherung dieser Unabhängigkeit die gleichzeitige Wahrnehmung richterlicher und exekutiver bzw. legislativer Aufgaben verboten.
    • Die sachliche Unabhängigkeit ergibt sich daraus, dass der Richter keinen fachlichen Weisungen unterliegt[17] Auch die Garantie des gesetzlichen Richters durch Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG[18] dient zur Wahrung der Unabhängigkeit gegen sachfremde Einflüsse auf die Richter.[19]
 

Rz. 5

In seiner Spruchtätigkeit ist der Richter nur dem Gesetz unterworfen.[20] Gesetz i. d. S. ist jede Rechtsnorm[21], also Gesetze im formellen Sinn und Rechtsverordnungen.[22]

Verwaltungsanweisungen, z. B. Richtlinien, sind keine Rechtsnormen i. d. S. und haben grundsätzlich über die Finanzverwaltung hinaus für die Finanzgerichtsbarkeit keine bindende Wirkung.[23] Allerdings auch für die Gerichte bindend sind Verwaltungsregelungen für eine einheitliche Ermessensausübung. In diesen Fällen dürfen die Gerichte nicht ihr eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen, sondern sie haben grundsätzlich nur zu prüfen, ob sich die Behörde im Einzelfall an die Anweisung gehalten hat, die Anweisung aus der Sicht der Behörde selbst einer sachgerechten Ermessensausübung entspricht und die behördliche Auslegung möglich ist.[24] Auch Übergangsregelungen in Form von oberbehördlichen Verwaltungsanweisungen können aus Billigkeitsgründen bindende Wirkung haben.[25]

Diese Unabhängigkeit in der Spruchtätigkeit wird – verfassungsrechtlich unbedenklich – nicht dadurch berührt, dass einzelne gesetzliche Regelungen Vorlagepflichten an andere Gerichte, z. B. Art. 100, 95 Abs. 3 GG hinsichtlich des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder auch § 11 FGO hinsichtlich des Gemeinsamen Senats beim BFH, und eine rechtliche Bindung für die Entscheidung des vorlegenden Gerichts begründen.[26]

 

Rz. 6

Die richterliche Unabhängigkeit gilt auch für die Tätigkeit im Rahmen der gerichtlichen Selbstverwaltung als Mitglied des Präsidiums.[27]

 

Rz. 7

Zur Sicherung der individuellen Objektivität und Unparteilichkeit des einzelnen Richters in der einzelnen Sache regelt § 51 FGO ergänzend Mitwirkungsverbote für den einzelnen Richter bei einer möglichen Befangenheit. Ein von der Mitwirkung kraft Gesetzes oder wegen Befangenheit ordnungsgemäß abgelehnter Richter ist kein unabhängiger Richter i. S. v. Art. 97 GG.[28]

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