Rz. 77

Für die Akteneinsicht im Besteuerungsverfahren ist § 29 VwVfG entsprechend anzuwenden[1].

 

Rz. 77a

Das Akteneinsichtsrecht besteht nur im Einzelfall im konkreten Besteuerungsverfahren, d. h. für den jeweils Beteiligten[2] hinsichtlich seines konkreten Steuerrechtsverhältnisses. Der Beteiligte hat substanziiert darzulegen, dass für ihn eine aktuelle rechtliche Erheblichkeit der einzusehenden Akten besteht[3]. Wirtschaftliche Interessen des Beteiligten, etwa die Überprüfung der Akte nach Gründen für Regressansprüche, können einen Anspruch auf Akteneinsicht nicht begründen[4].

 

Rz. 77b

Die Akteneinsicht kann dann nicht mehr beansprucht werden, wenn das Steuerfestsetzungsverfahren, in dem die Einsichtnahme begehrt wird, bestandskräftig abgeschlossen ist[5].

 

Rz. 78

Bei der Ausübung des Ermessens hat die Finanzbehörde stets das Steuergeheimnis[6] und den Schutz Dritter zu beachten[7].

 

Rz. 79

Rechtsanwälte oder Angehörige der steuerberatenden Berufe haben im Besteuerungsverfahren kein aus dem Berufsstand resultierendes eigenes Akteneinsichtsrecht[8], sie können nur die Rechte des Beteiligten ausüben. Dies gilt auch für den Insolvenzverwalter[9].

 

Rz. 79a

Die Akteneinsicht hat regelmäßig in der Behörde zu erfolgen, denn nur insoweit besteht der Anspruch auf Einsichtnahme[10]. Ein Recht auf Aktenüberlassung besteht auch für Rechtsanwälte und Angehörige der steuerberatenden Berufe nicht[11]. Die Verpflichtung eines Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe zur Verschwiegenheit ist nicht geeignet, einen von dieser Regel abweichenden Ausnahmefall zu begründen[12].

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesen Grundsatz bestehen nicht[13].

 

Rz. 79b

Ob die Finanzbehörde ausnahmsweise die Akteneinsicht an einem anderen Ort gestattet, z. B. bei einer anderen Finanzbehörde, ist eine Ermessensentscheidung. Bei der Ausübung des Ermessens hat die Behörde das dienstliche Interesse an einem geordneten Geschäftsgang einerseits, also die Vermeidung von Aktenverlusten, die jederzeitige Verfügbarkeit der Akten und die Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Dritten, mit dem Interesse des Beteiligten an der Ersparnis von Zeit und Aufwand andererseits abzuwägen[14], wobei auch der Arbeitsaufwand in der anderen Behörde zu berücksichtigen ist[15]. Der erforderliche Aufwand des Beteiligten muss außergewöhnlich groß sein, um von dem Grundsatz[16] abzuweichen.

Die Ablehnung der Überlassung der Akten in die privaten Wohnräume eines nicht durch Bevollmächtigte vertretenen Beteiligten ist nicht ermessensfehlerhaft[17].

 

Rz. 79c

Die Gewährung oder Ablehnung der Akteneinsicht ist ein Verwaltungsakt, der mit dem Einspruch[18] anfechtbar ist[19].

Gegen die Ablehnung der Akteneinsicht ist der Finanzrechtsweg nach § 33 AO eröffnet[20]. Die zutreffende Klageart ist die Verpflichtungsklage auf Gewährung von Akteneinsicht[21]. Das FG hat allerdings keine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, sondern kann die von der Finanzbehörde getroffene Ermessensentscheidung[22] lediglich im begrenzten Umfang des § 102 FGO überprüfen.

[1] Rz. 2; FG Hamburg v. 15.12.2003, V 12/02, EFG 2004, 852 für die Anfechtung von Prüfungsentscheidungen; a. A. Dißars, NJW 1997, 481.
[4] Hessisches FG v. 16.3.1990, 1 K 4538/89, EFG 1990, 503 für die Prüfung, warum die Steuerfahndung eingeschaltet wurde; s. entspr. BFH v. 13.1.2005, VII R 63/03, Haufe-Index 1319243.
[7] FG Baden-Württemberg v. 9.11.1988, XIII K 220/87, EFG 1989, 384; Hessisches FG v. 14.9.2005, 13 K 1329/04, Haufe-Index 1465239; FG Rheinland-Pfalz v. 24.11.2009, 1 K 1752/07, EFG 2010, 930; zum Akteneinsichtsrecht des Insolvenzverwalters bei der Insolvenz von Ehegatten s. BFH v. 28.3.2007, III B 10/07, BFH/NV 2007, 1182.
[8] § 80 AO Rz. 34; vgl. BVerwG v. 10.2.1981, 7 B 26/81, NJW 1981, 2270; s. entspr. BFH v. 25.9.2006, VI B 136/05, BFH/NV 2007, 86.

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