Rz. 26

§ 91 Abs. 1 S. 1 AO trifft keine Aussage über die Form der Anhörung. Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist somit formfrei. Sie kann mündlich oder schriftlich, aber auch telefonisch, per E-Mail oder mithilfe anderer elektronischer Kommunikationsmittel erfolgen. Art und Weise der Anhörung stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls.[1] Die Form der Anhörung muss stets angemessen und für die Beteiligten zumutbar sein. Es ist im Allgemeinen nicht ermessensfehlerhaft, dem Beteiligten nur Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung zu geben. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs erfordert nicht zwingend eine persönliche Anhörung, sofern durch Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist.[2] Bei mündlichen Anhörungen ist über den wesentlichen Inhalt der Äußerung ein Aktenvermerk zu fertigen.[3]

 

Rz. 27

Die Finanzbehörden müssen dem Beteiligten von vornherein eine angemessene Äußerungsfrist einräumen. Eine Anhörung mit unangemessen kurzer Fristsetzung steht letztlich einer unterlassenen Anhörung gleich.[4] Die Frist muss so bemessen sein, dass der Beteiligte sich informieren, die Gesichtspunkte der Finanzbehörde werten und darauf sachgerecht reagieren kann. Im Falle des Eintritts einer zwischenzeitlichen Rechtsnachfolge ist dem Erben Gelegenheit zu geben, sich ausreichend mit dem Nachlass und der sich hieraus ergebenden Frage auseinander zu setzen. Dies wird die Frist zur Äußerung in der Regel nicht unwesentlich verlängern. Auf einen entsprechenden Antrag hin ist dem Beteiligten grundsätzlich Fristverlängerung zu gewähren, es sei denn, der Antrag zielt erkennbar auf eine Verzögerung des Verfahrens ab. Über den Antrag muss vor Erlass des Verwaltungsakts entschieden werden.[5] Die Finanzbehörde darf den in die Beteiligtenrechte eingreifenden Verwaltungsakt grundsätzlich erst erlassen, wenn die von ihr gesetzte Anhörungsfrist verstrichen ist.[6] Eine nach Ablauf der Anhörungsfrist eingehende Stellungnahme des Beteiligten ist von der Finanzbehörde in die Entscheidung einzubeziehen, solange der Verwaltungsakt noch nicht bekannt gegeben worden ist.[7]

[1] BFH v. 21.8.1990, V B 46/90, BFH/NV 1991, 142; BFH v. 18.5.2000, VII B 36/99, BFH/NV 2000, 1355 zur sprachlichen, nicht konjunktivischen Abfassung eines Anhörungsschreibens; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2021, § 91 Rz. 2; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 91 AO Rz. 6; Koenig/Hahlweg, AO, 4. Aufl. 2021, § 91 Rz. 19.
[2] Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 28 VwVfG Rz. 39.
[3] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 91 AO Rz. 119.
[5] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 91 AO Rz. 102.
[7] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 91 AO Rz. 106.

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