Rz. 96

Nach § 90 Abs. 3 S. 5 AO soll die Finanzbehörde die Vorlage von Aufzeichnungen regelmäßig nur für die Durchführung, d. h. während und zur Vorbereitung einer Außenprüfung[1] verlangen. Das Vorlageverlangen der Finanzbehörde ist eine Ermessensentscheidung, die wie jeder Eingriffsakt mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang stehen muss, aber gesetzlich in der Weise vorgeprägt ist, dass im Regelfall auf der Vorlage zu bestehen ist. Dass bei Außenprüfungen in der Vergangenheit die Angemessenheit der Verrechnungspreise stets unbeanstandet geblieben ist, dürfte keine Ausnahme in diesem Sinne darstellen. In Betracht käme, dass die Angemessenheit im Rahmen einer Außenprüfung bei der Konzernschwester in Bezug auf das nämliche Unternehmen bereits positiv bestätigt wurde, bzw. im Rahmen der Außenprüfung korrigiert wurde. Dann nämlich wäre zweifelhaft, ob die Vorlage der Dokumentation noch zusätzliche Erkenntnis bringen kann, mithin erforderlich ist. Die Anforderung durch eine andere Stelle als die Außenprüfungsstelle scheint regelmäßig deshalb nicht in Betracht zu kommen, da nur in der Außenprüfung einzelne Bestandteile der Gewinnermittlung in der Tiefe untersucht werden, dass eine Analyse durch die Verrechnungspreisdokumentation erfolgen kann. Die Entscheidung stellt einen mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs[2] anfechtbaren Verwaltungsakt dar. Einstweiliger Rechtsschutz kann nach §§ 361 AO, 69 FGO im Wege einer Aussetzung der Vollziehung erlangt werden.

 

Rz. 97

Das Vorlageverlangen kann nach § 2 Abs. 6 S. 4 GAufzV bereits mit der Prüfungsanordnung[3] verbunden werden. Dies wird allerdings nur in Ausnahmefällen möglich sein. Denn § 2 Abs. 6 S. 2 GAufzV gibt der Finanzbehörde auf, im Vorlageverlangen die Geschäftsbereiche und Geschäftsbeziehungen des Stpfl. zu bezeichnen, die Gegenstand der Prüfung sein sollen. Außerdem soll die Finanzbehörde Art und Umfang der angeforderten Unterlagen benennen. Die für diese Konkretisierungen erforderlichen Informationen werden regelmäßig erst im Verlauf der Außenprüfung zur Verfügung stehen. Damit scheidet in der Praxis erst recht eine Anforderung von Aufzeichnungen durch die Veranlagungsstelle aus.[4]

 

Rz. 98

§ 90 Abs. 3 S. 6 AO erklärt für die Vorlage der Aufzeichnungen die Regeln des Urkundenbeweises[5] für anwendbar. Bis zur Änderung des § 97 AO durch das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) v. 26.6.2013, BGBl I 2013, 1809 schloss die Vorschrift die Subsidiaritätsklausel des § 97 Abs. 2 AO a. F. explizit aus. Für das Vorlageverlangen galt demnach seit jeher kein Nachrangigkeitsverhältnis gegenüber dem Auskunftsersuchen. Die Aufzeichnungen können unabhängig von der Erteilung und Bewertung mündlicher Auskünfte angefordert werden. Die Finanzbehörde ist grundsätzlich berechtigt, eine Vorlage der angefertigten Dokumentation im Original[6] und in deutscher Sprache zu verlangen. Werden die Aufzeichnungen in einer fremden Sprache vorgelegt, so kann sie eine Übersetzung fordern.[7] Die Finanzbehörde kann hiervon auf Antrag des Stpfl., der spätestens unverzüglich nach Anforderung der Aufzeichnungen zu stellen ist, Ausnahmen zulassen.[8] Der Druck auf den nationalen Verordnungsgeber, von dem Grundsatz, die Dokumentation in deutscher Sprache vorzulegen, noch weitergehend Abweichungen vorzusehen, wächst mit Blick auf den multinationalen Kontext und der Häufigkeit der Befassung inländischer Außenprüfungsstellen mit grenzüberschreitenden, steuerwirksamen Sachverhalten.[9] Wenn auch zu Recht auf den gesetzlichen Anspruch der Finanzbehörde aus § 87 AO hingewiesen wird, wonach die Dokumentation in deutscher Sprache vorzulegen ist, ist wohl trotzdem in Fällen, in denen die Dokumentation in fremder, aber allgemein verbreiteter Sprache geführt wird, davon auszugehen, dass der Betriebsprüfer sich mit der fremdsprachigen Dokumentation zufrieden geben wird.[10] Damit aber werden sich Übersetzungsanliegen der Finanzbehörden wohl auf Fälle beschränken, in denen die Dokumentation in einer in Deutschland wenig verbreiteten Sprache vorgelegt wird. Es bleibt ihr in einem solchen Ausnahmefall aber unbenommen, von materiell wesentlichen Teilbereichen der Dokumentation eine Übersetzung zu verlangen.

 

Rz. 99

Nach § 90 Abs. 3 S. 8 AO ist das Vorlageverlangen der Finanzbehörde für gewöhnliche Geschäftsvorfälle innerhalb einer Frist von 60 Tagen zu erfüllen.[11] Die Frist beginnt mit dem Zugang der Anforderung. Für außergewöhnliche Geschäftsvorfälle sieht der durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.2007, BGBl I 2007, 1912 eingefügte § 90 Abs. 3 S. 8 AO eine Verkürzung der Frist auf 30 Tage vor. Die Verkürzung soll Verzögerungen im Rahmen der Außenprüfung vorbeugen, zumal die Aufzeichnungen in solchen Fällen nach § 90 Abs. 3 S. 8 AO ohnehin zeitnah zu erstellen sind.[12] Die Vorlagefrist ist in begründeten Einzelfällen einer (ggf. auch mehrmaligen) Fristverlängerung zugänglich.[13] Die E...

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