Rz. 88a

Überschreitet das Unternehmen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist[1], die Umsatzschwelle von 100 Mio EUR jährlich, hat es gem. § 90 Abs. 3 S. 3 AO zusätzlich zum Local File (vgl. Rz. 80ff.) eine Stammdokumentation zu erstellen. Dieser Schwellenwert soll sicherstellen, dass nur Unternehmen von einem gewissen Gewicht im Konzernverbund und einem hieraus zu unterstellenden Zugriff auf Informationen aus dem Konzernzusammenhang dieser Pflicht unterfallen. Teilweise entsprechen die Angaben, die im Local File vorgesehen sind, denen, die auch im Master File abgefordert werden. Wenngleich die Zuordnung dieser Angaben (einerseits zum Geschäftsvorfall, andererseits zu den Gliedern des Unternehmensverbundes) nicht identisch sein muss, ist wohl davon auszugehen, dass das Unternehmen mit der Aufnahme in den Master File seiner Dokumentationspflicht in Gänze genügt. Weitere Überschneidungen sind mit dem nach § 138a AO vorgesehenen länderbezogenen Bericht denkbar, der Konzerne mit einem konsolidierten Außenumsatz von 750 Mio EUR betrifft.[2] Da die Umsatzschwelle des § 90 Abs. 3 S. 3 AO den unkonsolidierten Umsatz des Unternehmens betrifft und damit neben der Beziehung zu nicht verbundenen Drittunternehmen auch diejenigen mit im Konzernverbund zusammenhängenden Unternehmen erfasst, sind deutliche Größenunterschiede bei den betroffenen Unternehmen zu erwarten. Sollte ein anderes Unternehmen des Konzernverbundes bereits eine Stammdokumentation erstellt haben, so kann diese zur Erfüllung der Verpflichtung nach nationalem Recht verwendet werden[3], wobei das verpflichtete Unternehmen weiter für die Vollständigkeit der Dokumentation verantwortlich bleibt.[4]

 

Rz. 88b

Die Stammdokumentation dient der Steigerung der Informationstransparenz aufseiten der Finanzbehörden, die hiermit zusätzliche Erkenntnisse zur besseren Risikoeinschätzung erhält. Sie beinhaltet einen Überblick über die globalen Geschäftstätigkeiten und die Verrechnungspreispolitik der Unternehmensgruppe.[5] In der Sache wird die Dokumentationspflicht im Vergleich zum alten Recht verschärft. In Bezug auf bestimmte Inhalte, wie die grafische Darstellung des Organisationsaufbaus oder die Beschreibung der wichtigsten geografischen Märkte, stellt die Neufassung des § 5 GAufzV nur eine redaktionelle Umpositionierung dar.[6]

In Ausweitung des bisherigen Dokumentationsumfangs hat der nationale Gesetzgeber alle 18 Punkte aus der Empfehlung der OECD in die Anlage 5 zu § 5 GAufzV übernommen, sodass nunmehr zusätzlich die nachfolgend genannten Punkte darzustellen sind[7]:

  • Auflistung der Lieferketten der umsatzstärksten Produkte oder Dienstleistungen[8];
  • Auflistung der Lieferketten für alle weiteren Produkte oder Dienstleistungen, soweit jeweils mehr als 5 % der Gesamtumsatzerlöse auf diese entfallen[9];
  • Auflistung und zusammenfassende Beschreibung wichtiger Dienstleistungsvereinbarungen (ohne Forschung und Entwicklung) sowie der Verrechnungspreispolitik[10];
  • Aufzeigen der Gesamtstrategie für die Handhabung der immateriellen Werte , einschließlich einer Auflistung der Standorte der wichtigsten Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen und des Forschungs- und Entwicklungsmanagements[11];
  • Informationen zur externen Finanzierung[12];
  • Auflistung der Unternehmen mit zentraler Finanzierungs-, Cashmanagement- oder Assetmanagementfunktion mit der Angabe des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung[13];
  • Finanzierungsstrategie innerhalb der Gruppe[14];

Entgegen der Empfehlung der OECD[15] ist die Stammdokumentation nicht jährlich bis zu dem für die Steuererklärung maßgebenden Datum abzugeben. Nach dem auch für die Stammdokumentation geltenden § 90 Abs. 3 S. 5 bis 7 AO sind die Aufzeichnungen nur auf Anforderung begleitend zur Durchführung einer Außenprüfung vorzulegen. Eine kontinuierliche Aktualisierung ist zwar nicht erforderlich, eine Vorbereitung jedenfalls in Form der Sicherstellung der jederzeitigen Datenbereitstellung ist zugleich anzuraten.

 

Rz. 88c

Dem Unternehmen wird die Erfüllung der Dokumentationsanforderungen des § 5 GAufzV in tatsächlicher Hinsicht im Einzelfall schwerfallen, da eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen anhand der spezifischen Gegebenheiten des Unternehmens auszufüllen sind. Aus diesem Grund akzeptiert der Verordnungsgeber bei der Erfüllung der Dokumentionsverpflichtung einen gewissen Interpretationsrahmen aufseiten des Unternehmens, den dieser auf Grundlage einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung zu füllen hat.[16]

So bleibt z. B. unklar, ab welchem Schwellenwert von "bedeutenden Unternehmenskäufen und -verkäufen" auszugehen ist.[17] Hier ist im Sinne der von den G20/OECD ausdrücklich bezweckten Beschränkung des Dokumentationsaufwands davon auszugehen, dass nur ein im Verhältnis zur Größe des Unternehmens nicht völlig unbedeutendes Vorkommnis einer gesonderten Erfassung bedarf.[18] In diesen Fällen stellt S. 2 der Anlage zu § 5 GAufzV klar, dass "dem Unternehmen ein eigenständiger Beurteilungsspielraum eingeräumt wird unter der Vora...

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