3.3.1 Ermessensentscheidung

 

Rz. 54

Die Finanzbehörde entscheidet grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen ("kann"), ob sie eine verbindliche Auskunft erteilt. § 89 Abs. 2 S. 1 AO enthält explizit eine Kannvorschrift.[1] Im Regelfall dürfte aber das finanzbehördliche Ermessen auf Null reduziert und ein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft bestehen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm erfüllt sind und keiner der in AEAO, zu § 89 Nr. 3.5.4 ausdrücklich genannten Ablehnungsgründe vorliegt.[2] Ist aus Sicht der Finanzbehörde erkennbar, dass die Erteilung der Auskunft dazu dient, für den Stpfl. Planungssicherheit im Hinblick auf die von ihm zu treffenden Dispositionen im Fall der Verwirklichung des vorgetragenen Sachverhalts zu erlangen, so dient die Erteilung der Auskunft nicht zuletzt auch dem Interesse der Finanzverwaltung, da diese Dispositionen letztlich auch der fristgerechten Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten dienen. Für die Verpflichtung, die Auskunft bei Erfüllung aller Voraussetzung zu erteilen, spricht insbesondere, dass bereits die Antragsbearbeitung eine Gebührenpflicht auslöst.[3] Eine Ablehnung der Auskunftserteilung kommt damit letztlich nur in Betracht, wenn die Finanzbehörde einen triftigen Grund vorweisen kann.

 

Rz. 55

AEAO, zu § 89 Nr. 3.5.4 gibt beispielhaft einige Ausschlussgründe vor, bei deren Vorliegen die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ermessensfehlerfrei abgelehnt werden kann. Zum einen soll eine verbindliche Auskunft nicht erteilt werden, wenn in der Angelegenheit die Erzielung eines Steuervorteils (z. B. Prüfung eines Steuerstundungs- oder Steuersparmodells bzw. der Grenzpunkte für einen Gestaltungsmissbrauch oder für das Handeln eines ordentlichen Geschäftsleiters) im Vordergrund steht. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Denn es fällt gerade nicht in den Aufgabenbereich der FÄ, Stpfl. in der Planungsphase beim Ausloten des steuerlich gerade noch Zulässigen behilflich zu sein oder die Markteinführung von Steuersparmodellen durch eine Bindungswirkung entfaltende Auskunft abzusichern.[4]

 

Rz. 56

Zum anderen soll eine Auskunftserteilung unterbleiben, wenn zu dem Rechtsproblem z. B. eine gesetzliche Regelung, eine höchstrichterliche Entscheidung oder eine Verwaltungsanweisung in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Vor allem in Fällen einer zuungunsten des Stpfl. sich verschlechternden Rechtslage soll verhindert werden, dass dieser sich die alte Rechtslage im Wege der Erteilung einer verbindlichen Auskunft für zukünftig erst eintretende Sachverhalte noch sichert. In solchen Fällen drängt es sich allerdings geradezu auf, den Antrag bis zur Klärung der Rechtslage nicht zu bescheiden und bis dahin auch von einer Gebührenfestsetzung abzusehen. Eine sofortige gebührenpflichtige Ablehnung des Antrags dürfte jedenfalls ermessensfehlerhaft sein, wenn sie ausschließlich mit einer in absehbarer Zeit zu erwartenden Verwaltungsentscheidung begründet wird.[5]

[2] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 89 AO Rz. 40; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 237; Bruschke, DStZ 2007, 267; Burchert, INF 2004, 178; Lahme/Reiser, BB 2007, 408.
[4] Koenig/Wünsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 89 Rz. 55; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 89 AO Rz. 12; kritisch hierzu Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 89 AO Rz. 42f., und Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 239f., die es insbesondere für zu weitgehend halten, die praxisrelevanten Fälle der verdeckten Gewinnausschüttung bzw. verdeckten Einlage von vornherein auszuklammern.
[5] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 238.

3.3.2 Rechtsnatur der verbindlichen Auskunft

 

Rz. 57

Rspr. und Finanzverwaltung gingen bis zur Einführung des § 89 Abs. 2 AO davon aus, dass zwar die Ablehnung der Erteilung einer verbindlichen Auskunft, nicht aber die erteilte Auskunft selbst einen Verwaltungsakt i. S. d. § 118 S. 1 AO beinhaltet. Die Bindungswirkung einer verbindlichen Auskunft wurde für den Fall, dass der Antragsteller im Vertrauen auf die verbindliche Auskunft konkrete Dispositionen getroffen hat, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet.[1]

 

Rz. 58

Nunmehr trifft § 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV ausdrücklich eine Regelung, nach der die verbindliche Auskunft aus sich heraus eine Bindungswirkung entfaltet, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht. Die nach § 89 Abs. 2 AO erteilte verbindliche Auskunft wird deshalb nach h. M. zutreffend als (feststellender) Verwaltungsakt klassifiziert.[2] Dies gilt unabhängig davon, ob die Auskunft der Rechtsauffassung des Antragstellers entspricht ("positive" Auskunft) oder nicht ("negative" Auskunft). Der BFH stuft nunmehr auch die Anrufungsauskunft nach § 42e EStG nicht mehr als reine Wissenserklärung und damit unverbindliche Rechtsauskunft, sondern als feststellenden Verwaltungsakt ein.[3]

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