Rz. 51

Das Gesetz bestimmt nicht, wann im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse an der Auskunftserteilung besteht. Entscheidend sind die finanziellen Folgen im Einzelfall.[1] Ein Mindestbetrag ist zwar nicht vorgesehen. Allerdings dürfte bei Bagatellbeträgen ein besonderes Interesse regelmäßig fehlen.[2] Von der Verwirklichung des geplanten Sachverhalts müssen erhebliche wirtschaftliche Dispositionen abhängen. Außerdem müssen in der steuerrechtlichen Beurteilung Unsicherheiten bestehen, die eine Vorabfestlegung seitens der Finanzbehörde rechtfertigen.[3] An einem Auskunftsinteresse fehlt es, wenn der Antrag des Stpfl. letztlich auf eine Prognoseentscheidung des FA über die weitere Entwicklung eines Sachverhalts (z. B. Gewinnentwicklung) abzielt.[4]

 

Rz. 52

Der dem Antrag zugrunde liegende Sachverhalt darf noch nicht verwirklicht sein. Anderenfalls kann eine verbindliche Auskunft nicht mehr erteilt werden. Über Rechtsfragen, die sich aus einem bereits abgeschlossenen Sachverhalt ergeben, ist ausschließlich im Rahmen des Veranlagungs- oder Feststellungsverfahrens zu befinden. Selbst für einen Sachverhalt, der nach Antragstellung, aber vor Entscheidung über den Antrag verwirklicht wird, scheidet eine verbindliche Auskunft aus.[5] Allerdings ist es unschädlich, im Hinblick auf den geplanten Sachverhalt erste vorbereitende Maßnahmen zu ergreifen, solange der dem Antrag zugrunde liegende Sachverhalt im Wesentlichen noch nicht verwirklicht wurde und noch anderweitige Dispositionen möglich sind.[6]

 

Rz. 53

Außerdem kann auch eine ernsthaft geplante und hinreichend konkretisierte Umgestaltung eines bereits vorliegenden Sachverhalts einen noch nicht verwirklichten Sachverhalt i. S. d. § 89 Abs. 2 S. 1 AO darstellen.[7] Hiervon werden insbesondere Sachverhalte mit wesentlichen Auswirkungen in die Zukunft (Dauersachverhalte) erfasst, d. h. Sachverhalte, die entweder in der Zukunft fortwirken oder sich in der Zukunft ständig wiederholen.[8]

[1] Koenig/Wünsch, AO, 3. Aufl. 2014, § 89 Rz. 26; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 89 AO Rz. 12.
[2] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 202; Klein/Rätke, AO, 14. Aufl. 2016, § 89 AO Rz. 19; Bruschke, DStZ 2007, 267; a. A. Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 89 AO Rz. 35.
[3] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 89 AO Rz. 32; Dißars/Bürkle, StB 2008, 123.
[5] AEAO, zu § 89 Nr. 3.5.2; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 228; Bruschke, DStZ 2007, 267; a. A. Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 89 AO Rz. 48; Borggreve, AO-StB 2008, 108.
[6] AEAO, zu § 89 Nr. 3.4.2; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 89 AO Rz. 229; Roser, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 89 AO Rz. 48; Wagner, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 21. Aufl. 2015, § 89 AO Rz. 7.
[8] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 89 AO Rz. 33.

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