Rz. 21

Die Inanspruchnahme der Organgesellschaft kann dann ermessensfehlerhaft sein, wenn die Steuern eindeutig aus anderen Bereichen des Organkreises stammen (vom Organträger, seinen Gesellschaftern, anderen Organgesellschaften) und die Organgesellschaft keine wirtschaftlichen Vorteile aus der Gestaltung (z. B. Vermögensübertragungen auf sie, Steuervorteile) gezogen hat. Das kommt z. B. in Betracht für KSt und GewSt, wenn die Organgesellschaft in einem Jahr einen Verlust erwirtschaftet hat, oder für ESt, wenn diese auf ganz anderen Quellen eines Gesellschafters einer Organträger-KG beruhen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Personengesellschaften hinsichtlich der KSt und der ESt ohnehin keine Steuerschuldner sind, sodass eine Haftung der Organgesellschaft für die Steuern der Personengesellschaft bei der KSt nicht eintreten kann.[1] Eine Haftung für KSt im Fall der Personengesellschaften als Organträger kann ebenfalls nur de lege ferenda erreicht werden.[2]

 

Rz. 22

Bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft ist es ermessensgerecht, den Verursachungsbeitrag einer Organgesellschaft für die rückständigen Steuern des Organträgers nach dem Verhältnis des zugerechneten positiven Einkommens der Organgesellschaft (originäres Organeinkommen) zu der Summe des gesamten zugerechneten positiven Organeinkommens eines Veranlagungszeitraums zu bestimmen.

Bei der Ermittlung des originären Einkommens der Organgesellschaft sind die auf Ebene des Organträgers nach § 15 S. 1 Nr. 2 und 3 sowie S. 2 KStG vorzunehmenden Korrekturen zu berücksichtigen.

Die Inanspruchnahme der Organgesellschaft kann höchstens in Höhe einer fiktiven Steuer auf das originäre Organeinkommen erfolgen. Zusätzlich wird die Inanspruchnahme auf die Körperschaftsteuer beschränkt, die gegen den Organträger festgesetzt wird.[3] Ermessensfehlerhaft ist stets die Inanspruchnahme eines Organträgers für die Gewerbesteuer des anderen Organträgers, wenn die Organgesellschaft nicht im Gebiet der Gemeinde tätig war.[4]

 

Rz. 23

Bei der umsatzsteuerlichen Organschaft ist es ermessensgerecht, den Verursachungsbeitrag einer Organgesellschaft auf die auf den Außenumsätzen der Organgesellschaft beruhende USt abzüglich der bei der Organgesellschaft anfallende Vorsteuer zu bestimmen.[5] Bei der Ermessensentscheidung ebenfalls zu berücksichtigen ist es, insbesondere wenn die zu zahlenden Steuern wirtschaftlich nicht der Organgesellschaft zuzuordnen sind, wenn an der Organgesellschaft Minderheitsgesellschafter oder nur bis zu 50 % an der Organgesellschaft beteiligt sind. Das FG Schleswig-Holstein[6] hatte in einem solchen Fall die finanzielle Eingliederung bejaht. Im Revisionsverfahren hat der BFH zwar zu erkennen gegeben, dass er die Vorentscheidung aufheben und die Klage abweisen werde. Wegen der fraglichen Vereinbarkeit mit EU-Recht hat er den EuGH angerufen.[7] Insoweit muss die weitere Entwicklung abgewartet werden.

 

Rz. 24

Bei mehrstufigen Organschaftsverhältnissen haften alle Organgesellschaften (d. h. die "obersten" und alle als Organträgerinnen nachgeordneten Organgesellschaften) nebeneinander dem Grunde nach für alle Steuern des gesamten Organkreises. Im Rahmen der Ermessensausübung soll die Haftung aber grds. auf die jeweils im eigenen Betrieb oder im Betrieb der in gerader Linie vorgehenden Organträger verursachten Steuern beschränkt werden. Die in 3.1 bis 3.3. dargestellten Grundsätze gelten entsprechend und sind auf jeder Stufe der mehrstufigen Organschaft individuell anzuwenden.[8] In dem Bescheid müssen die Gründe für die Inanspruchnahme gerade einer Organgesellschaft dargelegt werden.[9] Bei der USt sind mehrstufige Organschaftsverhältnisse ausgeschlossen.[10]

[1] Lüdicke, in Festschrift Herzig, 2010, 261, 278.
[2] Lüdicke, in Festschrift Herzig, 2010, 282.
[4] OVG Münster v. 12.5.2017, 14 A 2484/14, DÖV 2017, 781; Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 73 AO Rz. 23.
[9] Boeker, in HHSp, AO/FGO, § 73 AO Rz. 22.

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