Rz. 6

Haftungsschuldner ist die Organgesellschaft. Eine Voraussetzung der Haftung ist das Bestehen, die steuerliche Anerkennung eines Organverhältnisses.[1] Die Vorschrift enthält keine Begriffsbestimmung für die Organschaft. Vielmehr ging bereits der historische Gesetzgeber davon aus, dass die jeweiligen Steuergesetze entsprechende Begriffsbestimmungen enthalten, soweit die Organschaft für die einzelnen Steuern von Bedeutung ist. Der österreichischen Regelung[2], wonach die Haftung auf solche Steuern beschränkt wird, die auf den Betrieb des beherrschten Unternehmens entfallen, hatte sich der Gesetzgeber bewusst nicht angeschlossen und es als sachgerecht angesehen, den Organkreis als einheitliches Ganzes zu betrachten. Inwieweit im Einzelfall die Haftung geltend gemacht werden sollte, sollte jeweils nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden.[3] Diese Sichtweise entsprach auch der bisher gängigen Verwaltungspraxis zur Haftung von körperschaftsteuerlichen Organgesellschaften. Daher geht § 73 AO auch nicht von einem eigenen Begriff aus, sondern übernimmt für die einzelnen Steuerarten jeweils die bei diesen geltenden Voraussetzungen für Organschaftsverhältnisse.[4] Sind diese für eine Steuerart gegeben, so tritt für Steuerschulden dieser Steuerart die Haftungsverpflichtung ein. Für jede Steuerart müssen also die jeweiligen Organschaftsvoraussetzungen erfüllt sein, wenn für sie eine Haftung folgen soll. Für jede Steuerart sind somit die Haftungsvoraussetzungen getrennt zu prüfen. Eine Differenzierung des Haftungsumfangs nach den systematischen Besonderheiten der jeweiligen Organschaftsregelungen sieht § 73 AO selbst nicht vor.

 

Rz. 7

Bei mehrstufigen Organschaftsverhältnissen haften die (nachrangigen) Organgesellschaften der "obersten" Organgesellschaft ebenfalls für die Steuern der "obersten" Organgesellschaft, für welche die Organschaft zwischen der "obersten" Organgesellschaft und dem "obersten" Organträger steuerlich von Bedeutung ist.[5] Sind die nachrangigen Organgesellschaften wiederum selbst Organträger, haften nach § 73 S. 2 AO auch ihre eigenen Organgesellschaften sowie ggf. deren (ebenfalls nachrangige) Organgesellschaften.[6] Der Organträger und alle nach § 73 Satz 1 und 2 AO in Haftung genommenen Organgesellschaften sind Gesamtschuldner, weshalb die Leistung eines Steuer- oder Haftungsschuldners zugleich schuldbefreiend für alle anderen Gesamtschuldner wirkt.[7]

 

Rz. 8

Eine Organschaft kennen die USt, die GewSt und die KSt. Als Organgesellschaften kommen in allen drei Fällen nur juristische Personen sowie nach den steuergesetzlichen Vorschriften nur in Sonderfällen Personengesellschaften, wie z. B. die GmbH & Co KG[8] in Betracht. Das früher von der Rspr. im USt-Recht entwickelte und der Organschaft gleichgestellte sog. organschaftsähnliche Verhältnis, bei dem eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein konnte, verstieß gegen Wortlaut und Willen des Gesetzes. Diese Konstruktion ist aus diesem Grund auch von BFH v. 7.12.1978, V R 22/74, BStBl II 1979, 356 aufgegeben worden. Gleichzeitig hat der BFH die sog. Unternehmereinheit aufgegeben[9], die ähnliche steuerliche Wirkungen wie die Organschaft hatte, sowie danach die gewerbesteuerliche Unternehmenseinheit.[10] Nach der neuerlichen Änderung in der Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft kommt nun allerdings auch eine Personengesellschaft als Organ in Betracht, nachdem der BFH im Anschluss an die EuGH-Rechtsprechung in besonderen Fällen dies für möglich erklärt hat (s. Rz. 2). Organträger kann jedes Unternehmen (bei KSt und GewSt: gewerbliche Unternehmen) sein, also natürliche Personen, Personengesellschaften und juristische Personen. Mehrere Organgesellschaften können demselben Organträger eingegliedert sein. Alle Organgesellschaften unterliegen dann der Haftung des § 73 AO (zur Ermessensentscheidung in solchen Fällen vgl. Rz. 23).

 

Rz. 9

Die Voraussetzungen an eine steuerlich wirksame Organschaft sind in den drei Steuerbereichen unterschiedlich. Bereits an die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung werden, sofern überhaupt erforderlich, voneinander abweichende Anforderungen gestellt.[11] Besonders zur wirtschaftlichen Eingliederung gab und gibt es in der höchstrichterlichen Rspr. immer wieder unterschiedliche Auffassungen.[12] Das KStG fordert über die Eingliederung hinaus das Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags.[13] Die steuerlichen Folgen sind ebenfalls unterschiedlich. Bei der USt wird die Organgesellschaft nur als Teil des Unternehmens, also als unselbstständig, angesehen. Die Organgesellschaft ist nicht Unternehmer, obwohl sie ohne Bestehen der Organschaft die Unternehmereigenschaften besitzt. Steuerschuldner für die USt des Unternehmens ist der Unternehmer, also der Organträger. Bei der GewSt gilt die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers.[14] Organträger und Organgesellschaft werden damit nicht zu einem einheitlichen Unternehmen. Gewerbeertrag und Gewerbekapital werden für die Organge...

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