Rz. 15

Für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung kommen alle unter § 34 fallenden steuerlichen Pflichten in Betracht .[1] Allerdings handelt eine verpflichtete Person, wenn sie die eine oder andere dieser steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, nicht immer auch vorsätzlich oder grob fahrlässig.

Sind mehrere verpflichtete Personen vorhanden (z. B. mehrere Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder), so haben sie zunächst grundsätzlich nebeneinander die Pflichten des § 34 AO. Ist auf Grund einer Arbeits- und Aufgabenverteilung unter diesen Personen die eine oder andere von ihnen für den steuerlichen Bereich nicht zuständig, so ist die steuerliche Pflicht zwar nicht aufgehoben, aber begrenzt.[2] Sie treffen dann in erster Linie den bzw. die zuständigen Geschäftsführer. Für einen anderen Geschäftsführer ist in solchen Fällen eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung nur dann anzunehmen, wenn er sich auch allgemein überhaupt nicht um die Tätigkeit der zuständigen Personen kümmert oder gar trotz Kenntnis von Pflichtverletzungen der zuständigen Geschäftsführer nicht tätig wird. Entsprechendes muss gelten, wenn er die Pflichtverletzungen zwar nicht kennt, sie aber erkennen konnte und musste. Solange für die Geschäftsführer, die nicht mit den steuerlichen und kaufmännischen Angelegenheiten der Gesellschaft betraut sind, kein Anlass für Zweifel an der ordnungsmäßigen Erledigung der steuerlichen Verpflichtungen besteht, kommt für sie eine Haftung wegen Pflichtverletzung nicht in Betracht.[3]  Voraussetzung für die Beschränkung der Verpflichtung ist eine eindeutige schriftliche Geschäftsverteilung.[4] Ohne eine solche eindeutige schriftliche Verteilung der Verantwortlichkeiten, die vorab vorhanden gewesen sein muss, kann der einzelne Geschäftsführer sich nicht auf eine eingeschränkte Verantwortlichkeit – z. B. auf Grund tatsächlicher Aufgabenteilung – berufen. Es besteht also ein Grundsatz der Gesamtverantwortung.[5] Das soll zwar für die in den Rahmen des laufenden Geschäftsverkehrs fallenden Pflichten (z. B. Anmeldung und Abführung der LSt) nicht gelten[6], erhält aber Gültigkeit, wenn die wirtschaftliche Lage des Vertretenen zu einer Überprüfung durch die weiteren Geschäftsführer Veranlassung gibt.[7]

Sind – auch nach Prüfung der Beschränkungen – mehrere verpflichtete Personen nebeneinander verpflichtet, kann noch bei der Ausübung des Auswahlermessens für die Haftungsinanspruchnahme eine zwingende Einengung auf einen der Verpflichteten eintreten.[8]

Bei der Beauftragung einer Hilfsperson durch den Vertreter oder Verfügungsberechtigten, wie z. B. bei der Beauftragung eines steuerlichen Beraters für steuerliche Aufgaben, handelt der Vertreter oder Verfügungsberechtigte grundsätzlich nicht fahrlässig. Der Gedanke des § 278 BGB gilt regelmäßig nicht.[9] Nur in besonderen Fällen hat der Vertreter bzw. Verfügungsberechtigte die hinzugezogene Hilfskraft besonders zu überwachen. Muss der Vertreter oder Verfügungsberechtigte ein strafbares Verhalten des Steuerberaters vermuten, hat er dessen Aufgabenerfüllung zu überprüfen.

 

Rz. 16

Bei Zahlungsschwierigkeiten hat der Verpflichtete das FA zwar mit Ausnahme der Abzugsteuern nicht vorrangig, aber auch nicht schlechter als andere Gläubiger zu behandeln.[10] Dabei gibt es keine Vordringlichkeit oder Rangfolge für einzelne Verbindlichkeiten. Vielmehr müssen solche Tilgungsvordringlichkeiten bestimmter Zahlungsverpflichtungen unberücksichtigt bleiben.[11] Dieser Grundsatz der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger, der mit dem Grundsatz der Haftung als Schadensersatz begründet wird[12], gilt auch für die USt mit Ausnahme der USt-Abzugsbeträge nach §§ 51ff. AO[13], und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie auf Grund einer Istversteuerung oder der regelmäßigen Sollversteuerung, mit oder ohne gesondertem USt-Ausweis zu zahlen ist. Für die Abzugssteuern (z. B. LSt, KapESt, frühere USt-Abzüge) gilt die Verpflichtung, auch bei Zahlungsschwierigkeiten die einbehaltenen Beträge vorrangig an das Finanzamt abzuführen.[14] Ein Verstoß hiergegen ist bei einem Kaufmann, einem Geschäftsführer einer Kapital- oder Personengesellschaft und ähnlichen Personen grundsätzlich als zumindest grob fahrlässig anzusehen. Im Zweifelsfall hat sich der Verpflichtete bei einem steuerlichen Berater oder bei der Finanzbehörde zu erkundigen. Der Verpflichtete darf sich auch nicht darauf verlassen, dass zwischen unterlassener Einbehaltung bei Lohn- und Gehaltszahlung sowie dem Fälligkeitstag noch erwartete Zahlungen eingehen, z. B. auf Grund einer Finanzierungszusage seitens der Muttergesellschaft einer GmbH.[15] Rechnet ein GmbH-Geschäftsführer damit, dass er rückständige LSt mit einem vermeintlichen USt-Guthaben ausgleichen könne, stellt sich dieses jedoch später als nicht realisierbar heraus, ist die Pflichtverletzung ursächlich für das Ausbleiben der LSt-Zahlung.[16] Reichen die vorhandenen Mittel nicht, so hat der GmbH-Geschäftsführer die auszuzahlenden Nettolöhne um die darauf entfallen...

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