Rz. 11

Die Pflichtverletzung muss ursächlich sein für die unterbliebene oder verspätete Festsetzung des Anspruchs bzw. Entrichtung der Leistung. Dies ist für jeden Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis getrennt zu prüfen.[1] Ursächlichkeit für den Haftungsschaden ist gegeben, wenn ohne die Pflichtverletzung das Besteuerungsverfahren hätte ordnungsgemäß durchgeführt und der Anspruch hätte erfüllt werden können.[2] Es muss feststehen, dass der Haftungsschaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre.[3] Beim Fehlen ausreichender Zahlungsmittel wäre der Schaden auch ohne Pflichtverletzung entstanden, so dass diese nicht ursächlich gewesen ist.[4] Haftungsbegründend können jedoch nur solche Pflichten sein, die erfahrungsgemäß diese Folgewirkung haben oder bei denen jedenfalls die Wirkung nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt. Nach der anzuwendenden sog. Adäquanztheorie reicht die bloße Möglichkeit bzw. eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Nichteintritts der Folgen für den Fall der Pflichtverletzung nicht aus.[5]

 

Rz. 11a

Bei einer Pflichtwidrigkeit durch Unterlassen ist maßgebend, ob der Schaden ohne das Unterlassen der gebotenen Handlung nicht entstanden wäre .[6] Nicht erforderlich ist, dass die Pflichtverletzung die alleinige Ursache dieser Folge ist. Ist der Eintritt der Folge sehr wesentlich auf völlig andere Umstände als die Pflichtverletzung zurückzuführen, so ist die Frage der erfahrungsgemäßen Ursächlichkeit (und des Verschuldens) besonders genau zu prüfen. Das ist vor allem bei gleichzeitiger Pflichtwidrigkeit im Verhalten der Finanzbehörde bedeutsam (zum Mitverschulden der Finanzbehörde s. Rz. 18). Die gleichzeitige oder spätere Pflichtverletzung durch andere Personen ändert an der Ursächlichkeit grundsätzlich nichts. Dagegen wird eine Haftung mangels Ursächlichkeit nicht ausgelöst, wenn bei falschen oder unvollständigen Angaben das Besteuerungsverfahren unbeeinträchtigt durch diese durchgeführt wird. Auch kann keine Ursächlichkeit gegeben sein, wenn ein GmbH-Geschäftsführer bei Lohnzahlungen zwar keine Beträge einbehält, die GmbH jedoch vor dem Fälligkeitstag der LSt in Insolvenz fällt und der Geschäftsführer seine Verfügungsmacht verliert.[7] Schließlich kann bei Beendigung einer Geschäftsführertätigkeit und Tätigwerden eines Nachfolgegeschäftsführers die erforderliche Kausalität fehlen, wenn der nötige Einfluss des früheren auf den neuen Geschäftsführer nicht vorhanden ist.[8] Kein Haftungsschaden ist ursächlich, wenn der Vertreter auf andere Weise, wie z. B. durch eine andere Vetreterperson, den Anspruch bereits befriedigt hatte.[9]

 

Rz. 11b

Führt die verpflichtete Person trotz Zahlung der Nettolöhne und -gehälter keine LSt ab, weil Mittel nur bis zur Höhe dieser Nettobeträge zur Verfügung stehen, so ist die Pflichtverletzung ursächlich für die Nichtzahlung der LSt nur in Höhe der Beträge, die bei Einbehaltung der LSt aus den Nettobeträgen (diese als Bruttobeträge behandelt) angefallen wären.[10]

[1] Ebenso Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rz. 20.
[2] Conditio sine qua non; vgl. z. B. FG Berlin v. 30.10.1970, III 25/70, EFG 1971, 247.
[6] Ebenso Jatzke, in Gosch, AO/FGO, § 69 AO Rz. 54.
[7] BFH v. 16.10.1984, VII S 13/84, ZIP 1985, 958; s. auch BFH v. 3.12.2004, VII B 178/04, BFH/NV 2005, 661.
[9] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rz. 13.
[10] Vgl. § 34 AO Rz. 12, 16.

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