Rz. 19

Die Tätigkeit steuerbegünstigter Körperschaften kann in Konkurrenz mit wirtschaftlichen Tätigkeiten von nicht steuerbegünstigten Personen treten. Dies ist vor allem der Fall, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft steuerpflichtige oder steuerbefreite wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält.

Soweit die damit verbundene Wettbewerbsbevorzugung der steuerbegünstigten Tätigkeit dem Gesetz entspricht, hat der Wettbewerber dies hinzunehmen. Fraglich ist aber, ob und wie dem Wettbewerber Rechtsschutz gewährt werden kann, wenn der Körperschaft die Steuerbegünstigung entgegen der gesetzlichen Regelung gewährt wird.[1]

Zu diesen Fragen hat BFH v. 15.10.1997, I R 10/92, BStB1 II 1998, 63 erstmals grundsätzlich Stellung genommen.[2] Danach wird nicht in die Rechte eines Dritten eingegriffen, wenn ein Wettbewerber rechtswidrig nicht oder zu niedrig besteuert wird. Die Steuervorschriften dienen dem Steueraufkommen des Steuergläubigers; verletzt durch eine rechtswidrige Besteuerung sind also nur die Rechte des Steuergläubigers, nicht des Dritten; die Steuervorschriften haben keinen "drittschützenden" Charakter. Entsprechendes gilt auch im Verhältnis zu Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts.[3]

 

Rz. 20

Dies gilt auch für §§ 5163 AO. Aus der Verletzung dieser Normen kann der Dritte daher keine Rechte gegen die Finanzverwaltung, den Wettbewerber zu besteuern, ableiten. Das bedeutet etwa, dass der Dritte nicht geltend machen kann, die Tätigkeit des Wettbewerbers erfülle nicht den Tatbestand der steuerbegünstigten Zwecke nach §§ 5254 AO, werde nicht selbstlos, ausschließlich und unmittelbar ausgeübt, die Anforderungen an die Satzung seien nicht erfüllt, oder die tatsächliche Geschäftsführung widerspreche der Satzung. Insoweit werden nur die Rechte des Steuergläubigers verletzt; der Dritte kann keine Verletzung eigener Rechte geltend machen. Seine Klage wäre eine unzulässige Popularklage.

 

Rz. 21

Dagegen haben §§ 6468 AO drittschützenden Charakter. Die Steuerpflicht der wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe und die von einengenden Voraussetzungen abhängig gemachte Steuerbefreiung der Zweckbetriebe soll den Wettbewerb schützen; dies ergibt sich deutlich aus § 65 Nr. 3 AO. Da somit der Wettbewerb geschützt werden soll, kann ein Dritter vorbringen, dass er durch die unrechtmäßige Steuerbefreiung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in seinem Recht auf Ausübung des eigenen Gewerbebetriebs beeinträchtigt ist; er macht damit eigene Rechte geltend, es handelt sich nicht um eine Popularklage.

Verletzt ist das Recht des Dritten, wenn durch die Nichtbesteuerung des Zweckbetriebs die konkrete Wettbewerbslage zum Nachteil des Dritten beeinflusst wird. Eine allgemeine Eignung zur Verzerrung des Wettbewerbs genügt also nicht; der Dritte muss konkret die Wettbewerbsnachteile darlegen, die er erlitten hat. Er kann dies etwa dadurch, dass er substantiiert darlegt, dass der Zweckbetrieb in solcher räumlichen Nähe belegen ist, dass er im Wettbewerb mit dem Dritten steht, dass die Entfaltung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Dritten hierdurch gehemmt oder beeinträchtigt wird, und dass dies auf der Steuerfreiheit des Zweckbetriebs beruht, etwa indem dieser seine Leistungen infolge der Steuerfreiheit billiger anbieten kann als der Dritte. Keine Wettbewerbsverzerrung liegt z. B. vor, wenn der Zweckbetrieb die Leistung zu gleichen Bedingungen anbietet wie der Dritte (etwa zu den kassenrechtlich zulässigen Sätzen) und die Steuerfreiheit (nur) zu einer Stärkung des Eigenkapitals führt.

 

Rz. 22

Soweit danach eine Klage des Dritten (Konkurrentenklage) zulässig ist, weil eine drittschützende Norm vorliegt, ist seine prozessuale Situation trotzdem schwierig. Er muss (als Dritter) den Freistellungsbescheid gegen die steuerbefreite Körperschaft anfechten, ohne zu wissen, ob und wann dieser ergangen ist. Soweit der Freistellungsbescheid für ein bestimmtes Jahr noch nicht ergangen ist, ist die richtige Klageart die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtbesteuerung. Bei Ergehen des Freistellungsbescheids erledigt sich die Hauptsache; der Dritte erfährt dann vom Erlass der Freistellungsbescheide und kann hiergegen Einspruch und Anfechtungsklage einlegen.

Eine Verpflichtungsklage, die die Behörde verpflichten soll, die Körperschaft zu besteuern, ist nicht zulässig. Auch eine Klage hinsichtlich künftiger Besteuerungszeiträume ist unzulässig, da hierüber erst bei der Veranlagung nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums entschieden wird.

Praktisch wäre dem Dritten zu raten, die Feststellungsklage bezüglich eines gerade abgelaufenen Veranlagungszeitraums zu erheben, für den aller Voraussicht nach die Freistellungsbescheide noch nicht ergangen sein können. Wenn ihm dann die Erledigung der Hauptsache mitgeteilt wird, kann er gegen die Freistellungsbescheide Einspruch einlegen.

Zur Vorbereitung einer Konkurrentenklage kann ein Auskunftsanspruch gegenüber dem VeranlagungsFA der gemeinnützigen Körperschaft geltend ...

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