Rz. 13

Das Ermessen setzt schon nach dem Wortlaut des § 5 Halbs. 1 und 2 AO eine entsprechende (gesetzliche) Ermächtigung voraus, durch die der Gesetzgeber der Verwaltung einen bestimmten bzw. jedenfalls durch Auslegung bestimmbaren Ermessensspielraum einräumt. Auch der Zweck der Ermächtigung für die zu treffende Ermessensentscheidung muss sich aus der Ermächtigungsvorschrift ergeben. Ob der Behörde durch eine Vorschrift ein Ermessen eingeräumt wird, ist durch Auslegung der Norm nach ihrem Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der üblichen Auslegungskriterien[1] zu bestimmen.

 

Rz. 14

Die Formulierungen des Gesetzgebers für die Ermessenseinräumung sind vielfältig. Meist wird die Ermächtigung durch Worte wie "kann" bzw. "können", z. B. in § 27 AO, § 80 Abs. 6 S. 1 AO, § 87 Abs. 2 AO, § 89 Abs. 2 AO, § 91 Abs. 2 AO, § 94 Abs. 1 AO, § 95 Abs. 1 AO, § 97 Abs. 2 AO, § 129 AO[2], § 130 Abs. 1 AO[3], § 131 Abs. 1 AO[4], § 133 AO, § 148 AO, § 152 AO, § 163 AO, § 164 Abs. 13 AO, § 165 Abs. 1 u. 2 AO, § 178 Abs. 1 AO, § 191 Abs. 1 AO, § 194 Abs. 1 u. 2 AO, § 200 Abs. 1 S. 3 AO, § 207 Abs. 2 AO, § 221 AO, § 222 AO, § 224a AO, § 249 Abs. 1 AO, § 305 AO, § 317 AO, § 324 Abs. 1 AO, § 327 AO, § 328 AO, § 360 Abs. 1 AO, § 361 Abs. 2 AO, § 364b Abs. 1 AO, § 367 Abs. 2 S. 1 AO, § 396 Abs. 1 AO; § 74 Abs. 1 EStG, oder "darf" bzw. "dürfen", z. B. in § 88a AO, § 122 Abs. 3 AO, § 213 AO, § 261 AO, ausgesprochen.

Zu beachten ist, dass Formulierungen wie "darf nicht"[5] und "kann nicht"[6] ein Ermessen ausschließen.

 

Rz. 15

Für eine Ermessensermächtigung kommen auch andere Formulierungen in Betracht, wie z. B. "sind berechtigt"[7], "ist befugt"[8] und "ist zulässig".[9] Auch werden mittelbare Formulierungen wie "auf Verlangen"[10], "Verlangen der Finanzbehörde"[11] oder "bestimmt den Umfang"[12] verwendet. Nur selten verwendet das Gesetz das Wort "Ermessen" selbst.[13]

 

Rz. 16

Eine Ermächtigung für ein Ermessen enthalten auch Wendungen wie "darf nur"[14] oder "kann nur".[15] Sie signalisieren ein eingeschränktes Ermessen.[16]

Entsprechendes gilt auch für die Sollvorschriften[17], die sogar noch in der Variation "soll in der Regel"[18] verwendet werden. Für sie ist der Ermessensspielraum besonders eng, im Regelfall sogar auf Null reduziert.[19] Demgegenüber ist kein Ermessensspielraum gegeben, wenn eine Vorschrift der Finanzbehörde mit "muss", "hat" oder einer ähnlichen Formulierung ein bestimmtes Verhalten vorschreibt. In diesen Fällen liegt eine gebundene, gerichtlich uneingeschränkt überprüfbare Entscheidung vor.

[2] M. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 129 AO Rz. 35ff.
[3] M. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 130 AO Rz. 26ff.
[4] M. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 131 AO Rz. 10ff.
[12] Z. B. § 196 AO.
[16] Wernsmann, in HHSp, AO/FGO, § 5 AO Rz. 56 ff.
[19] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 AO Rz. 11; zum sog. intendierten oder vorgeprägten Ermessen vgl. Rz. 21 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge