Rz. 53

Die Folgen der Verletzung der Bekanntgabepflicht nach § 397 Abs. 3 AO sind, wie die der Verletzung der Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO, in Lit. und Rspr. heftig umstritten.

Entspricht die Bekanntgabe nicht den inhaltlichen Anforderungen (Rz. 51), so treten die Rechtswirkungen der Einleitung (Rz. 8–12) nicht ein.[1]

 

Rz. 53a

Ist die Bekanntgabe wissentlich unterlassen worden, so ist ein strafprozessuales Verwertungsverbot in entsprechender Anwendung des § 136a StPO dann anzunehmen, wenn die Bekanntgabe und die Belehrung bewusst zur Täuschung des Beschuldigten unterlassen worden sind. Eine Täuschung i. d. S. liegt aber nicht vor, wenn dem Beschuldigten auch ohne Belehrung sein Mitwirkungsverweigerungsrecht im Strafverfahren nachweislich bekannt war.[2]

 

Rz. 54

Fraglich ist, ob auch, wenn die Bekanntgabe versehentlich unterlassen worden ist, ein strafprozessuales Verwertungsverbot anzunehmen ist.[3] Dies dürfte dann zu bejahen sein, wenn der Beschuldigte bei (qualifizierter) Nachholung der Belehrung die Mitwirkung verweigert[4], oder die Belehrung über das Zwangsmittelverbot nach § 393 Abs. 1 AO ebenfalls unterlassen wird.[5]

 

Rz. 55

Fraglich ist auch, ob die Verletzung der Bekanntgabe- und Belehrungspflichten auch ein Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren bewirkt. Der BFH[6] lehnt dies entgegen der Auffassung in Teilen der Literatur[7] ab.

[1] BGH v. 6.10.1981, 1 StR 356/81, NJW 1982, 119; BayObLG v. 26.10.1987, RReg 4 St 106/87, wistra 1988, 81; OLG Hamburg v. 24.3.1987, 2 Ss 134/86, wistra 1987, 189; Marx, wistra 1987, 207; Burkhard/Adler, DStZ 2000, 592; Rößler, StBp 2000, 367; Burkhard/Adler, StBp 2001, 138; Rößler, StBp 2001, 143.
[2] Meyer-Goßner / Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 136 Rz. 20a; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 397 AO Rz. 129.
[3] BGH v. 16.6.2005, 5 StR 118/05; bejahend z. B. Pflaum, in MüKoStPO, 1. Aufl. 2018, § 397 AO Rz. 35; Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 397 Rz. 22; differenzierend Peters, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 397 AO Rz. 43; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 397 AO Rz. 129; zur Aufhebung einer Prüfungsanordnung bei versehentlich unterlassener Bekanntgabe: FG Berlin-Brandenburg v. 27.3.2014, 4 K 2166/13, DStRE 2015, 1138.
[4] Vgl. z. B. Schuhr, in Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2014, § 136 StPO Rz. 55.
[5] Strittig, vgl. dazu Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 397 AO Rz. 129; Karstens, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 393 AO Rz. 57 je m. w. N.; Pflaum, in MüKoStPO, 1. Aufl. 2018, § 397 AO Rz. 37.
[6] BFH v. 23.1.2002, BStBl II 2002, 328, BStBl II 1994, 148; BFH/NV 2012, 956; BFH/ NV 2010, 432; BFH v. 30.10.2008, VIII B 146/07; BFH v. 8.1.2014, X B 112, 113/13, X B 112/13; X B 113/13; so auch Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 397 AO Rz. 129.
[7] Peters, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 397 AO Rz. 48 m. w. N. bei bewusster Nichtbelehrung; zusammenfassend Madauß, NZWiSt 2014, 296, 301.

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