Rz. 15

Das Steuerstrafverfahren beginnt, sobald die Finanzbehörde, die Polizei, die Staatsanwaltschaft, eine ihrer Ermittlungspersonen oder der Strafrichter die Einleitungsmaßnahme getroffen hat.[1] Maßnahmen anderer Organe, Behörden oder Personen als die in § 397 AO aufgezählten, können die Rechtsfolge des Verfahrensbeginns nicht auslösen.[2] Die Vorschrift dient insoweit der Klarstellung und Abgrenzung.

Die genannte Reihenfolge ist ohne rechtliche Bedeutung. Das Strafverfahren beginnt, sobald die erste Einleitungsmaßnahme von einem dieser Strafverfolgungsorgane getroffen wird (Rz. 5). Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Strafverfolgungsorgans ist für die rechtliche Wirkung der Einleitung ohne Bedeutung.[3]

 

Rz. 16

§ 397 Abs. 1 AO begründet nicht die Befugnis, Einleitungsmaßnahmen zu treffen, sondern diese ergibt sich aus der Rechtsstellung als Strafverfolgungsorgan.[4] Deshalb sind Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, ihrer Ermittlungspersonen oder der Polizei regelmäßig zur strafrechtlichen Verfolgung bestimmt (Rz. 36), da diese im Besteuerungsverfahren keine Funktion haben und demgemäß die Abgrenzungsfunktion des § 397 AO (Rz. 1a, 2) ohne Bedeutung ist.

 

Rz. 17

Richterliche Maßnahmen können die Einleitungswirkung nur auslösen, wenn sie vom Strafrichter getroffen werden. Dies ist jeder in Strafsachen tätige Richter.[5] Andere Richter, wie Finanzrichter, Zivilrichter, Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Richter in der Berufs- oder Ehrengerichtsbarkeit, können kein Steuerstrafverfahren einleiten. Wenn solche Richter aufgrund eines Verdachts einen Vermerk oder die ihnen vorliegenden Akten der Staatsanwaltschaft, dem Strafrichter oder gem. § 116 AO dem FA zuleiten, so kann dies noch keine Maßnahme i. S. d. § 397 Abs. 1 AO sein.

Die Verfahrenseinleitung durch den Strafrichter wird vornehmlich in Betracht kommen, wenn er als Notstaatsanwalt[6] oder als Ermittlungsrichter[7] tätig wird.

 

Rz. 17a

Nicht anzuwenden ist § 397 Abs. 1 AO auf die Entscheidung eines Delegierten Europäischen Staatsanwaltes, ein Verfahren gem. Art. 26 der VO (EU) 2017/1939 einzuleiten.[8]

 

Rz. 18

Für Bedienstete der Steuer- bzw. Zollfahndung ergibt sich die Einleitungsbefugnis aus ihrer Rechtsstellung als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft.[9]

 

Rz. 19

Zur Einleitung des Steuerstrafverfahrens befugt ist die Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO. Die Einleitungsbefugnis ist Teil der finanzbehördlichen Strafverfolgungsbefugnis, die – abgesehen von der Steuer- und Zollfahndung (Rz. 18) – nur dem Hauptzollamt, dem FA, der Familienkasse[10] und dem Bundeszentralamt für Steuern, nicht aber anderen Finanzbehörden i. S. v. § 6 AO, z. B. den Oberfinanzdirektionen oder anderen Oberbehörden[11], zusteht.[12]

 

Rz. 20

Soweit die Strafverfolgungsbefugnis auf eine Finanzbehörde i. S. v. § 386 Abs. 1 AO nach § 397 Abs. 2 AO zentralisiert ist, verbleibt für die zur Strafverfolgung nun sachlich nicht mehr zuständigen Finanzbehörden die Einleitungsbefugnis. Nach § 399 Abs. 2 AO haben sie aber weiterhin das Recht und die Pflicht, beim Verdacht einer Steuerstraftat (Rz. 27) den Sachverhalt zu erforschen und alle unaufschiebbaren Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Die Amtsträger sind insoweit den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft rechtlich gleichgestellt.[13]

 

Rz. 21

Die Einleitungsbefugnis steht jedem Amtsträger der Finanzbehörden i. S. v. § 386 Abs. 1 AO zu, also nicht nur dem Behörden- bzw. Dienststellenleiter und nicht nur Amtsträgern, die hauptsächlich im strafrechtlichen Aufgabenbereich eingesetzt sind.[14] Auch der Betriebsprüfer, der im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung den Tatverdacht schöpft, kann die Einleitungsmaßnahme treffen.[15]

Unerheblich ist auch der rechtliche Status des Amtsträgers, und ob er nach der Einleitung für die Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungen sachlich zuständig ist.[16]

 

Rz. 22

Die Strafverfolgungsbefugnis der Finanzbehörden i. S. v. § 386 Abs. 1 AO besteht hinsichtlich der Verfolgung von Steuerstraftaten und der damit verbundenen allgemeinen Straftaten.[17] Die Amtsträger können demgemäß nur im Rahmen dieses Aufgabenkreises die Einleitungsmaßnahmen treffen, also wenn zumindest auch eine Steuerstraftat vorliegt. Stellt sich nach der Einleitung die Unzuständigkeit der Finanzbehörde i. S. v. § 386 AO heraus, so berührt dies die Wirksamkeit der Einleitung jedoch nicht.[18] Im Übrigen haben die Amtsträger das Steuergeheimnis[19] und das daraus resultierende Verfolgungsverbot nach § 393 Abs. 2 AO von Amts wegen zu beachten.

[2] Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 397 AO Rz. 37.
[3] Rz. 4, 22; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 397 AO Rz. 13.
[5] Klaproth, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 391 AO Rz. 6a; vgl. Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, Nikolaus, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 397 AO Rz. 32, 33.

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