Rz. 20

Gedankliche Grundlage des § 385 Abs. 2 AO ist die Rspr. des BGH,[1] wonach bei einem solchen Sachverhalt, in dem der Steuervorgang zum Zweck der Täuschung erfunden wurde,[2] keine Steuerhinterziehung, sondern Betrug[3] vorliegen sollte.[4] Die sich nach den Vorschriften der RAO ergebende Rechtsfolge, dass die Finanzbehörde einerseits insoweit keine strafverfahrensrechtlichen Ermittlungsbefugnisse hatte, andererseits im Hinblick auf das Steuergeheimnis gehindert war, der Staatsanwaltschaft die Straftat zu offenbaren, sollte durch Einfügung des § 385 Abs. 2 AO korrigiert werden.[5]

 

Rz. 21

Der BGH hat seinen Rechtsstandpunkt zur Abgrenzung von Betrug und Steuerhinterziehung[6] zunehmend verlassen.[7] BGH v. 23.3.1994, 5 StR 91/94, wistra 1994, 194 hat die Betrugsrechtsprechung aufgegeben und auch im Fall eines vollständig fingierten Unternehmens mit vorgetäuschten Umsätzen zur Erlangung des Vorsteuerabzugs Steuerhinterziehung angenommen.[8] § 385 Abs. 2 AO hat damit kaum praktische Bedeutung mehr.[9]

[1] BGH v. 11.4.1972, 1 StR 45/72, MDR 1972, 620.
[2] S. Rz. 11.
[4] BGH v. 28.1.1986, 1 StR 611/85, wistra 1986, 258; BGH v. 14.1.1987, 3 StR 473/86, wistra 1987, 177; BayObLG v. 17.9.1987, RReg 3 St 144/87, UR 1988, 399.
[5] Vgl. BT-Drs. 7/4242 zu § 385 AO.
[6] S. Rz. 8.-
[7] BGH v. 22.4.1975, 1 StR 592/74, DB 1975, 1588; BGH v. 9.10.1979, 5 StR 586/79, MDR 1980, 107; BGH v. 14.1.1987, 3 StR 473/86, HFR 1988, 81; BGH v. 15.7.1988, 3 StR 137/88, UR 1989, 101; BGH v. 1.2.1989, 3 StR 179/88, ZfZ 1990, 22; BGH v. 3.11.1989, 3 StR 245/89, wistra 1990, 58.
[9] Zur Nichtanwendung bei der Erschleichung von Vorteilen hinsichtlich steuerlicher Nebenleistungen s. § 370 AO Rz. 83; s. aber Bender, Zoll- u. Verbrauchsteuerstrafrecht, Rz. 105; Randt, in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 385 AO Rz. 27; Wannemacher/Seipl, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 385 AO Rz. 3.

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