Rz. 8

Gegenstand des Ermittlungsverfahrens sind die Ermittlungsakten sowie als beizuziehende Akten die Steuerakten. Da sich das Prinzip der Abschnittsbesteuerung im Strafverfahren fortsetzt und sich der strafrechtliche Vorwurf auf bestimmte Steuerarten und -zeiträume bezieht, sind aktuelle Besteuerungsakten und Steueranmeldungen i. d. R. nicht Gegenstand des Strafverfahrens. Aus diesem Grund wird vertreten, dass die Erkenntnisse aus den aktuellen Steueranmeldungen (insbesondere Umsatzsteuervoranmeldungen) und Steuererklärungen nicht für die Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse zur Bestimmung der Tagessatzhöhe herangezogen werden dürfen, da die Daten grundsätzlich dem Steuergeheimnis unterlägen.[1] Dieser Auffassung ist zu widersprechen. Die Heranziehung vorliegender aktueller Besteuerungsgrundlagen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Finanzbehörden im Ermittlungsverfahren ist zulässig.[2] Dies ergibt sich bereits aus § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO, wonach eine Offenbarung von Steuerdaten zulässig ist, wenn sie der Durchführung eines Steuerstrafverfahrens dient. Dazu gehört auch die Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Sofern in Anbetracht der Verhältnismäßigkeit Bedenken bestehen, kann das Gericht im Rahmen einer Hauptverhandlung die Öffentlichkeit für diesen Teil nach § 172 Nr. 2 GVG ausschließen. Sofern neben einer Steuerstraftat tateinheitlich Allgemeindelikte, beispielsweise Urkundenfälschung, begangen worden sind, gilt die Offenbarungsbefugnis ebenfalls. Bei Delikten, die zu einer Steuerstraftat tatmehrheitlich begangen worden sind, bedarf es zur Offenbarung eines besonderen Grundes nach § 30 Abs. 4 AO, sofern die Daten in einem solchen Verfahren nicht ohnehin schon wegen der Steuerstraftat mitgeteilt worden sind.[3] Die Mitteilung der aktuellen Besteuerungsgrundlagen im Strafprozess erfolgt üblicherweise durch den Vertreter der Finanzbehörde, der gem. § 407 AO an der Hauptverhandlung teilnimmt.

Für ein allgemeines Strafverfahren, bei dem Steuerstraftaten nicht verhandelt werden, gilt die Offenbarungsbefugnis grundsätzlich nicht. In diesen Verfahren dürfen Erkenntnisse aus den Steuerakten nicht für die Bemessung der Tagessatzhöhe verwendet werden, selbst wenn dem erkennenden Gericht die Steuerakten vorliegen.[4]

[1] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Rz. 70.
[2] Blesinger, wistra 1991, 294.
[3] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 30 AO Rz. 70.
[4] Gerhard, in Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. 2012, Rz. 144.

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