Rz. 27

§ 384a Abs. 2 AO erstreckt durch seinen Verweis auf § 41 BDSG die Anwendbarkeit des OWiG auch auf Verstöße nach Art. 83 Abs. 4-6 EU-DSGVO im Anwendungsbereich der AO. Folglich ist die Regelung des § 377 Abs. 2 AO, nach der die Bußgeldvorschriften der Steuergesetze den allgemeinen Regelungen des OWiG vorgehen, insoweit nicht anwendbar.

§ 41 Abs. 1 BDSG trifft eine materielle, § 41 Abs. 2 BDSG eine verfahrensrechtliche Regelung, auf die Bezug genommen werden musste, da die EU-DSGVO insoweit keine Vorgaben enthält. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum das OWiG lediglich "sinngemäß" Anwendung findet. Insoweit wird zu klären sein, ob es sich lediglich um eine nachlässige Wortwahl des Gesetzgebers handelt oder um einen Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG.[1]

 

Rz. 28

An dem Verweis auf § 41 BDSG wird hingegen auch ein grundlegendes Strukturproblem mit erheblicher Auswirkung deutlich:

Die Geldbuße ist auch im europäischen Gemeinschaftsrecht als Sanktion vorgesehen und hat in der Sache dieselbe Funktion wie die Geldbuße im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht.[2] Auch im europäischen Gemeinschaftsrecht kommt der Geldbuße kein kriminalstrafrechtlicher Charakter zu.[3]

Dementsprechend ergibt sich aus EG 149 und EG 152 EU-DSGVO, dass es sich bei den Geldbußen nach der EU-DSGVO (wohl) um Verwaltungs- und nicht um strafrechtliche Sanktionen handeln soll.[4] Der deutsche Gesetzgeber bindet über den in § 41 BDSG enthaltenen Verweis Art. 83 EU-DSGVO jedoch in das Ordnungswidrigkeitenrecht ein, so dass es sich um eine strafrechtliche Sanktion im weiteren Sinne handelt. Dies dürfte auch zutreffend sein, da die Geldbuße unstrittig strafenden Charakter hat. Folglich ist nach deutschem Recht auch der sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebende und für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten in § 3 OWiG niedergelegte Grundsatz nullum crimen sine lege anwendbar[5], der nach Ansicht der Rechtsprechung des EuG und EuGH für Verwaltungssanktionen nur eingeschränkt gelten soll.[6] Aber auch ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR dürfte die Geldbuße der EU-DSGVO eindeutig als Strafe einzuordnen sein.[7]

Aus der abweichenden Einordnung der Geldbuße nach EU-DSGVO im Unions- und im nationalen Recht ergeben sich darüber hinaus nicht nur im Hinblick auf die Anforderungen an die jeweilige Norm deutliche Unterschiede, sondern darüber hinaus folgen daraus schwerwiegende Wirkungen für das Verfahren und die darin für den Betroffenen bestehenden Rechte wie z. B. nemo tenetur und fair trial.

 

Rz. 29

Obwohl sich § 41 BDSG nach seiner Überschrift ausschließlich auf das Bußgeldverfahren bezieht, enthält die Norm auch den Verweis auf materielle Vorschriften wie insb. die §§ 8ff. OWiG, so dass die Allgemeinen Vorschriften des OWiG anwendbar sind. Dies gilt folglich auch für das in § 14 OWiG geregelte Einheitstäterprinzip, wenn Personen an dem Rechtsverstoß mitwirken, die nicht nach Art. 4 Nr. 7 oder 8 EU-DSGVO Verantwortlicher oder Auftragsverarbeiter sind. Sie sind zwar vom Wortlaut des Art. 83 Abs. 4-6 EU-DSGVO nicht erfasst, die Grundlage für eine entsprechende Ahndung ergibt sich jedoch aus § 384a Abs. 2 AO i. V. m. § 41 BDSG, der wiederum auf das OWiG und dort auch auf § 14 OWiG verweist.[8] Das europäische mit Anwendungsvorrang versehen Datenschutzrecht dürfte im Hinblick auf die Allgemeinen Vorschriften nicht abschließend sein, da in der EU-DSGVO entsprechende Regelungen fehlen. Folglich ist eine diesbezügliche Lückenfüllung durch das nationale Recht zulässig.[9]

 

Rz. 30

Aus dem Verweis auf § 41 Abs. 1 BDSG ergibt sich neben der Anwendbarkeit der Allgemeinen Vorschriften des OWiG u. a. auch, dass die §§ 17, 35 und 36 OWiG nicht auf Verstöße nach Art. 83 Abs. 46 EU-DSGVO anwendbar sind. Diese Regelung erscheint folgerichtig, da die in § 17 OWiG getroffenen Regelungen zur Bemessung der Geldbuße durch die insoweit abschließende und mit dem europarechtlichen Anwendungsvorrang versehene Regelung des Art. 83 Abs. 1-3 EU-DSGVO verdrängt wird. Insoweit kommt § 384a Abs. 2 AO i. V. m. § 41 Abs. 1 S. 2 BDSG lediglich klarstellende Funktion zu.

Dasselbe gilt für die §§ 35, 36 OWiG, die die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten sowie die sachliche Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden enthalten. Auch insoweit wurden durch die EU-DSGVO in den Art. 51 ff. im Hinblick auf Struktur, Zuständigkeiten, Aufgaben und Befugnisse der Aufsichtsbehörden abschließende Regelungen getroffen, die dem Ziel der europaweiten Harmonisierung dienen.

 

Rz. 31

Gem. § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG findet im Hinblick auf einen Verstoß gegen Art. 83 Abs. 46 EU-DSGVO der § 68 OWiG nur mit der Maßgabe Anwendung, dass das Landgericht zuständig ist, wenn die festgesetzte Geldbuße 100.000 EUR übersteigt.[10] Diese abweichende Regelung im Hinblick auf die sachliche Zuständigkeit erscheint aufgrund der möglichen Höhe der Geldbuße und der damit verbundenen Folgen für den Betroffenen vertretbar, da ansonsten gem. § 68 Abs. 1 OWiG una...

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