Rz. 3

Gemäß § 383 Abs. 1 AO handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 46 Abs. 4 S. 1 AO Erstattungs- oder Vergütungsansprüche unbefugt geschäftsmäßig zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung erwirbt.

 

Rz. 4

Ein Erstattungsanspruch i. S. d. § 383 AO i. V. m. § 46 Abs. 4 S. 1 AO besteht, wenn eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist[1] oder der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt[2]; vgl. auch Horn, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 46 AO Rz. 3ff.

Neben dem allgemeinen steuerlichen Erstattungsanspruch des § 37 Abs. 2 AO sind in verschiedenen Einzelsteuergesetzen weitere Erstattungsansprüche ausdrücklich geregelt.[3]

 

Rz. 5

Im Unterschied zum Erstattungsanspruch ist im Fall eines Vergütungsanspruchs die Steuer zunächst mit rechtlichem Grund geleistet worden. Steuervergütungsansprüche sollen denjenigen, der die Steuer – wie bei Zöllen und Verbrauchssteuern durch Abwälzung üblich – wirtschaftlich zu tragen hat, zu einem bestimmten wirtschaftlich erwünschten Verhalten veranlassen oder eine unerwünschte Mehrfachbelastung kompensieren.[4]

Die Rechtsgrundlage und die Entstehungsvoraussetzungen für Erstattungs- und Vergütungsansprüche ergeben sich aus den jeweiligen Einzelsteuergesetzen.[5] Von § 383 AO sind in der Hauptsache der Erstattungsanspruch auf Rückzahlung überzahlter LSt gem. § 42 EStG und der Vergütungsanspruch auf Auszahlung des Vorsteuerüberhangs gem. §§ 16 Abs. 2, 18 Abs. 3 UStG betroffen (vgl. Rz. 5a). Daneben bestehen allerdings in den Einzelsteuergesetzen weitere Erstattungs-[6] und Vergütungsansprüche[7]; vgl. für umfassende Aufzählungen Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 383 AO, Rz. 6, 8; Talaska, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 383 AO Rz. 15, 17.

Daneben ist § 383 AO im Prämien- und Zulagenrecht kraft gesetzlicher Verweise entsprechend anwendbar, z. B. gem. § 8 Abs. 2 WoPG 1996 (Wohnungsbauprämie), § 14 Abs. 3 des 5. VermBG (Arbeitnehmersparzulage), § 96 Abs. 7 S. 1 EStG (Altersvorsorgezulage) sowie § 50e Abs. 6 S. 3 EStG (geringfügige Beschäftigung im Privathaushalt). In Ermangelung eines ausdrücklichen Verweises findet § 383 AO hingegen z. B. keine Anwendung bzgl. der Eigenheimzulage[8] und der Investitionszulage.[9]

 

Rz. 5a

Umstritten ist, ob § 383 AO auf den allgemeinen Umsatzsteuererstattungsanspruch anwendbar ist. Teilweise wird dies verneint, da es sich nicht um einen Vergütungs-, sondern um einen selbstständigen Auszahlungsanspruch handele, sodass § 383 AO nicht ohne einen ausdrücklichen gesetzlichen Verweis anwendbar sei.[10] Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der allgemeine Umsatzsteuererstattungsanspruch von der Rechtsprechung und der h. M. zu Recht als Vergütungsanspruch i. S. d. § 37 AO angesehen wird.[11] Folglich findet § 46 Abs. 4 AO Anwendung auf den Umsatzsteuererstattungsanspruch.[12] Diese Ansicht entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 383 AO, da eine umfassende Sanktionierung des unseriösen Handels mit Steuererstattungs- und Vergütungsansprüchen nicht möglich ist, wenn die praktisch bedeutsame Abtretung des Umsatzsteuererstattungsanspruchs ausgeklammert wird.[13]

Auf Körperschaftsteuerguthaben findet § 383 AO hingegen keine Anwendung, da aufgrund § 37 Abs. 5 S. 10 KStG die Anwendung des § 46 Abs. 4 AO ausgeschlossen ist.[14] Mithin können diese Ansprüche ohne Einschränkungen abgetreten und geschäftsmäßig erworben werden.

Ebenso können Ansprüche auf Erstattung von zollrechtlichen Eingangsabgaben für zurückgewiesene Waren nach § 46 AO abgetreten werden[15], sodass § 383 AO insoweit keine Anwendung findet.

 

Rz. 6

§ 383 AO untersagt den geschäftsmäßigen Erwerb derartiger Ansprüche.

Unter Erwerb sind die Abtretung[16] oder die Verpfändung[17] auf eigene Rechnung des Erwerbers zu verstehen. Abweichend von den zivilrechtlichen Grundsätzen gehen die steuerlichen Ansprüche jedoch nicht schon mit der Abtretung an den Abtretungsempfänger über, sondern erst mit der ordnungsgemäßen Anzeige des ursprünglichen Gläubigers gegenüber dem zuständigen FA, vgl. § 46 Abs. 3 AO.

Dieser Erwerb ist zwar bei Verstoß gegen § 46 Abs. 4 S. 1 AO gem. § 46 Abs. 5 AO nichtig, er wird aber trotzdem von § 383 AO erfasst.[18]

Der Erwerb erfolgt nicht auf eigene Rechnung des Erwerbers und ist somit nicht tatbestandsmäßig i. S. d. § 383 AO, wenn der Erwerber im Fall der Steuerrückerstattung mit dem Stpfl. abrechnen muss.[19]

Geschäftsmäßig handelt derjenige, der die (Erwerbs-)Tätigkeit selbstständig mit der Absicht der Wiederholung ausübt.[20] Entscheidend sind insoweit stets die Verhältnisse des Einzelfalls.[21] Die Geschäftsmäßigkeit wird allerdings stets zu bejahen sein, wenn für den Erwerb von Erstattungsansprüchen organisatorische Vorkehrungen getroffen wurden.[22] Der Zahl der Erwerbsfälle und dem Zeitraum ihres Vorkommens kommt insoweit eine Indizwirkung zu, ein Gewinnstreben, Entgeltlichkeit, Renditestreben oder tatsächliche Gewinne sind hing...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge