Rz. 31

Im Gegensatz zur dreitägigen Schonfrist gem. § 240 Abs. 3 AO (vgl. Rz. 29) verlagert eine vor Fälligkeit gewährte Stundung den Fälligkeitszeitpunkt. Folglich erfüllt im Fall einer solchen Stundung eine Abführung der Abzugsteuer nach dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt schon nicht den Tatbestand des § 380 AO.[1] Es bedarf insoweit jedoch stets einer formellen Stundung, da nur dadurch der Fälligkeitszeitpunkt tatsächlich verschoben wird. Die Aufnahme von auf eine Stundung gerichteten Gesprächen oder die verzögerte Vollstreckung von Steueransprüchen verschieben den Fälligkeitszeitpunkt hingegen nicht und haben deshalb auch keinen Einfluss auf die Ahndungsmöglichkeit. Notwendig ist stets der formelle Rechtsakt.

 

Rz. 32

Eine nachträglich ausgesprochene Stundung beseitigt hingegen nicht die Erfüllung des Tatbestands durch die verspätete Abführung und rechtfertigt diese auch nicht. Das gilt selbst, wenn die Stundung rückwirkend gewährt wird.[2] Diesem Gesichtspunkt kann allenfalls unter Opportunitätsgesichtspunkten Bedeutung zukommen (vgl. Rz. 48).

Die Rechtmäßigkeit einer Stundung der Abzugsteuern im konkreten Fall[3] ist im Hinblick auf die Wirksamkeit einer – ggfs. rechtswidrig – erfolgten Stundung unerheblich. Folglich ist es im Hinblick auf § 380 AO gleichgültig, in welchem Umfang Stundungen bei Abzugsteuern zulässig sind.[4] Entscheidend ist allein, ob vor Fälligkeit eine Stundung erfolgte.

 

Rz. 33

Auch im Fall einer wirksam erklärten Aufrechnung gem. § 226 AO wird der Tatbestand des § 380 AO nicht erfüllt, wenn der Abzugsverpflichtete die ordnungsgemäß einbehaltenen und angemeldeten Abzugsbeträge nicht abführt.[5]

 

Rz. 34

Behält ein Arbeitgeber Steuerabzugsbeträge ein, trifft dann jedoch die ausdrückliche Tilgungsbestimmung, dass er mit diesen Abzugsbeträgen andere Steuerschulden bezahlt, so ist er damit seiner Verpflichtung zur Abführung der Steuerabzugsbeträge nicht nachgekommen.[6] Fehlt hingegen eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung, so darf die Finanzbehörde die Leistung des Abführungsverpflichteten gem. § 225 Abs. 2 S. 1 AO nicht auf andere (eigene) Steuerschulden des Abführungsverpflichteten verrechnen. Handelt die Finanzbehörde diesem Grundsatz zuwider und nimmt eine Verrechnung auf eigene Steuern des Abführungsverpflichteten vor, so führt dies nicht zur Verwirklichung des Tatbestands des § 380 AO.[7]

[1] Bülte, in HHSp, AO/FGO, 246. Lfg. 2/2018, § 380 AO Rz. 47; Jäger/Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rz. 34; Matthes, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/2017, § 380 AO Rz. 40; Rolletschke, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 110. Lfg. 04/2018, § 380 AO Rz. 29.
[2] BayObLG v. 30.1.1959, DStZ/B 1959, 124; vgl. auch Jäger/Ebner, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 380 AO Rz. 34 m. w. N.; von einer rechtfertigenden Wirkung geht hingegen Burhoff, PStR 2006, 233, 238 aus.
[5] OLG Köln v. 2.3.1984, 3 Ss 40/83, wistra 1984, 154.
[6] BayObLG v. 23.5.1977, 3 Ob OWi 73/77, DB 1977, 1089.
[7] OLG Köln v. 11.2.1983, 3 Ss 18/83 B, wistra 1983, 163; Rolletschke, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, 110. Lfg. 04/2018, § 380 AO Rz. 32.

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