Rz. 337

Neben den hinterzogenen Beträgen werden durch die ab dem 1.1.2015 geltende Fassung des § 371 AO erstmals auch Hinterziehungs- sowie Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO fällig, soweit Letztere auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Abs. 4 AO angerechnet werden. Die Einbeziehung der nach § 235 Abs. 4 AO anzurechnenden Nachzahlungszinsen soll eine sachwidrige Begünstigung der Fälle verhindern, in denen Nachzahlungszinsen nach § 233a AO anfallen, im Vergleich zu den Fällen, in denen die hinterzogene Steuer nicht der Verzinsung gem. § 233a AO unterliegt.[1]

 

Rz. 338

Nach § 235 Abs. 1 S. 1 AO sind hinterzogene Steuern zu verzinsen.[2] Der Zinssatz beträgt gem. § 238 Abs. 1 AO 0,5 % des hinterzogenen Betrages pro vollen Monat der Zinspflicht. Der Zinslauf ist in § 235 Abs. 2 und 3 AO geregelt. Mit dieser Verzinsung wird das Ziel verfolgt, den erlangten Zinsvorteil abzuschöpfen.[3] Der Vorteil wird dabei ebenso wie bei der Normalverzinsung nach § 233a AO in typisierender Weise bemessen. Aufgrund dessen ist die Berufung darauf, dass tatsächlich kein entsprechender Liquiditätsvorteil erzielt wurde, ausgeschlossen.[4]

 
Achtung

Im Hinblick auf die BFH-Beschlüsse vom 25.4.2018[5] und vom 3.9.2018[6] stellt sich die Frage, ob nach der Abgabe einer Selbstanzeige bzw. in den Fällen des § 398a AO gegen den erlassenen Zinsbescheid im Hinblick auf die Höhe des Zinssatzes[7] nicht nur Einspruch eingelegt werden, sondern auch die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden sollte.

Davon ist allerdings dringend abzuraten, da es sich bei der Zahlungsfrist i. S. d. § 371 Abs. 3 AO nicht um eine steuerliche Frist handelt. Folglich kann eine im steuerlichen Verfahren gewährte Aussetzung der Vollziehung keine Wirkung für die strafrechtliche Frist entfalten, so dass die strafrechtliche Frist nicht verlängert oder hinausgeschoben wird. Folglich ist es zur sicheren Erlangung der Straffreiheit in den Fällen der §§ 371 Abs. 3, 398a Abs. 1 AO zwingend erforderlich, dass auch die Zinsen in der gesetzten strafrechtlichen Frist entrichtet werden. Wird die strafrechtliche Frist hingegen versäumt, so ist in Ermangelung diesbezüglicher höchstrichterlicher Rechtsprechung davon auszugehen, dass der Betroffene seine Anwartschaft auf Straffreiheit unabhängig davon verliert, ob eine (steuerliche) Aussetzung der Vollziehung gewährt wurde oder nicht, vgl. auch Rz. 347, 365ff.

Darüberhinaus soll nach der Ansicht von Rolletschke die zu einer Erstattung bereits gezahlter Hinterziehungszinsen führende Aufhebung der Vollziehung dafür sorgen, dass die Straffreiheit nachträglich wieder entfällt.[8] Diese Ansicht ist jedoch umstritten, da zumindest gut vertretbar ist, dass es im Rahmen des § 371 Abs. 3 AO nur auf die fristgerechte Zahlung rechtmäßig festgesetzter Steuern und Zinsen ankomme.[9] Nach h. M. ist es unschädlich, einen Einspruch gegen einen aufgrund einer Selbstanzeige ergangenen Bescheid einzulegen, sofern das Ziel des Einspruchs lediglich die Überprüfung der Steuerfestsetzung ist und der Täter damit nicht den Steueranspruch bereits dem Grunde nach in Zweifel zieht oder ihn gar bestreitet.[10] Folglich kann auch die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Höhe der festgesetzten Zinsen der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige wohl nicht entgegenstehen. Diese Argumentation bezieht sich jedoch lediglich auf den Einspruch gegen die Zinsfestsetzung, nicht hingegen auf die Aussetzung oder Aufhebung der Vollstreckung. Insoweit bleibt die Straffreiheit trotz Nichtzahlung der Zinsen aufgrund Aussetzung oder Aufhebung der Vollstreckung nur mit Sicherheit erhalten, wenn das BVerfG § 238 AO für verfassungswidrig und nichtig erklärt. In allen anderen Fällen dürfte es nicht zur Straffreiheit kommen, wenn die Strafverfolgungsorgane unter Fristsetzung (auch) die Zinsen festsetzen, ohne dass eine entsprechende Zahlung erfolgte.

 

Rz. 339

Die Hinterziehungszinsen werden von der zuständigen Finanzbehörde ausgehend von der nach abgabenrechtlichen Kriterien ermittelten hinterzogenen Steuer festgesetzt, wobei jedoch die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen ist.[11] Bei ihrer Entscheidung ist die für die Erhebung der Hinterziehungszinsen zuständige Finanzbehörde nicht an die Feststellungen und Wertungen der Strafsachenstelle, der Staatsanwaltschaft und des Strafgerichts gebunden.[12] Wird die hinterzogene Steuer durch steuermindernde Umstände ganz oder teilweise ausgeglichen, so ist dies nach h. M. zu berücksichtigen, da das Kompensationsverbot insoweit keine Anwendung findet.[13] Folglich sind die Hinterziehungszinsen nur auf den tatsächlich zu zahlenden Steuerbetrag festzusetzen[14], sodass auch keine Obliegenheit zur Zahlung von Hinterziehungszinsen für strafrechtlich bereits verjährte Jahre besteht.[15] Steht die Qualifizierung der jeweiligen Steuern als i. S. d. § 235 AO hinterzogen fest, so kann ihre betragsmäßige Höhe ggf. nach § 162 AO geschätzt werden.[16]

 

Rz. 339a

Die Verzinsung bezieht sich auf die Steuern, die der Täter "zu seinen Gunsten" verkürzt hat. Folgli...

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