Rz. 111

Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 AO gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden.[1]

 

Rz. 112

Die Zurückweisung der Erklärungen und Beweismittel setzt zunächst voraus, dass die Finanzbehörde dem Einspruchsführer eine wirksame Ausschlussfrist nach § 364b Abs. 1 AO gesetzt hat. Das erfordert neben der korrekten Belehrung über die Ausschlussfolgen insbesondere auch eine ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens durch die Finanzbehörde im Hinblick auf die Fristsetzung, den Gegenstand der Fristsetzung und die Dauer der Frist. Das Ermessen ist von dem FG nur eingeschränkt im Rahmen des § 102 FGO dahingehend überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.

 

Rz. 113

Hat die Finanzbehörde die verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel in der Einspruchsentscheidung rechtmäßig unberücksichtigt gelassen, "kann" das Gericht diese auch für das Klageverfahren zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Die Zurückweisung der liegt also im Ermessen des Finanzgerichts.[2] Damit relativiert sich die zwingende Ausschlusswirkung des § 364b Abs. 2 AO im finanzbehördlichen Einspruchsverfahren und eröffnet dem Stpfl. im Klageverfahren die Möglichkeit, doch noch mit seinem verspäteten Vorbringen durchzudringen.

 

Rz. 114

Ein Ermessen steht dem FG aber nur dann zu, wenn die Voraussetzungen des nach § 76 Abs. 3 Satz 2 FGO für entsprechend anwendbar erklärten § 79b Abs. 3 FGO erfüllt sind. Danach setzt die Zurückweisung der Erklärungen und Beweismittel durch das Gericht voraus, dass ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist. Das gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.[3]

 

Rz. 115

Für die nach § 76 Abs. 3 Satz 2 FGO i. V. m. § 79b Abs. 3 FGO geforderte Belehrung über die Folgen der Fristversäumung ist es ausreichend, dass die Finanzbehörde bei der Fristsetzung im Einspruchsverfahren entsprechend der Anordnung in § 364b Abs. 3 AO auf die Rechtsfolgen § 364b Abs. 2 FGO hingewiesen hat. Eine Aufklärung über die Präklusion im finanzgerichtlichen Verfahren nach § 76 Abs. 3 FGO ist damit nicht erforderlich (s. Rz. 127).

 

Rz. 116

Die Finanzbehörde ist nicht durch § 172 Abs. 1 Satz 3, 2. HS AO daran gehindert, in einem finanzgerichtlichen Klageverfahren einen Abhilfebescheid nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) letzte Alternative AO zu erlassen, wenn Tatsachen und Beweismittel nach Ablauf der wirksam gesetzten Ausschlussfrist vorgebracht wurden (s. Rz 102).

 

Rz. 117

Werden Erklärungen und Beweismittel, die im Einspruchsverfahren nach § 364b AO rechtmäßig zurückgewiesen wurden, nach § 76 Abs. 3 FGO durch das FG berücksichtigt, sind dem Kläger nach § 137 Satz 3 FGO insoweit die Kosten des Klageverfahrens aufzuerlegen. Das gilt auch, wenn der Rechtsstreit durch den Erlass eines entsprechenden Abhilfebescheids erledigt wird.[4]

Rz. 118–122 einstweilen frei

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