Rz. 12

Der Einspruch kann nach § 357 Abs. 1 S. 1 AO auch bei der Einlegungsbehörde zur Niederschrift erklärt werden. Der BFH sieht in der Erklärung zur Niederschrift eine Unterform der schriftlichen Einlegung des Einspruchs.[1] Die Erklärung hat persönlich durch den Einspruchsführer oder durch dessen Vertreter mündlich an Amtsstelle zu erfolgen. Demgemäß reicht auch die telefonische Einlegung nicht aus, selbst wenn über das Telefonat eine Niederschrift angefertigt wird.[2] Die Finanzbehörde hat in einem solchen Fall im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht auf die Formerfordernisse des § 357 Abs. 1 AO hinzuweisen.[3] Bestärkt die Behörde den Empfänger eines mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheids in seiner rechtsirrigen Annahme, der zur Niederschrift bei der Behörde zu erhebende Einspruch könne auch durch eine telefonisch veranlasste Aktennotiz wirksam eingelegt werden, oder ruft sie diese Annahme erst hervor, kommt eine Wiedereinsetzung nach § 110 AO in Betracht.[4]

 

Rz. 13

Die zuständige Einlegungsbehörde ist grds. zur Entgegennahme – innerhalb der vorgegebenen Geschäftszeiten – verpflichtet.[5] Die Ablehnung der Entgegennahme ist ein mit dem Einspruch anfechtbarer Verwaltungsakt.

 

Rz. 14

Über die Erklärung hat die Einlegungsbehörde eine Niederschrift zu fertigen. Die Niederschrift soll bezeugen, dass die Erklärung einem Beamten gegenüber mündlich abgegeben wurde. Sie ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einspruchseinlegung.[6] Teilweise wird die Auffassung vertreten, die angefertigte Niederschrift sei dem Stpfl. vorzulegen und von diesem durch seine Unterschrift zu genehmigen.[7] Das ist m. E. zwar zu Beweiszwecken und zur Vermeidung von Missverständnissen sinnvoll, aber nicht zwingend.[8] Denn zum einen gilt die Bestimmung des § 357 Abs. 1 S. 2 AO, die eine Identifizierbarkeit des Einspruchsführers ausreichen lässt, auch für die Erklärung des Einspruchs zur Niederschrift. Zum anderen ist eine Genehmigung und Unterschrift der Niederschrift – anders als z. B. in § 95 Abs. 5 S. 3 AO – nicht ausdrücklich vorgeschrieben.

 

Rz. 15

Unterbleibt die Niederschrift des Rechtsbehelfsgesuchs bei einer Vorsprache des Stpfl. an Amtsstelle, so liegt selbst dann kein wirksamer Einspruch vor, wenn die Finanzbehörde schuldhaft gehandelt hat.[9] In einem solchen Fall ist aber eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO in Betracht zu ziehen.[10] Bei Anwesenheit des steuerlichen Beraters während der Vorsprache wird die Wiedereinsetzung aber regelmäßig ausgeschlossen sein, da davon auszugehen ist, dass dieser die Formvorschriften der Einspruchseinlegung kennt und demgemäß schuldhaft handelt.[11] Der Nachweis der fristgerechten Vorsprache an Amtsstelle und der damit verbundenen Darlegung des Rechtsschutzgesuchs obliegt dem Stpfl.[12]

[1] BFH v. 7.12.1983, I R 177/79, Haufe-Index HI1277723; BFH v. 23.7.2004, XI B 42/03, Haufe-Index HI1277723.
[2] RFH v. 24.8.1938, VI 527/38, RStBl 1938, 897; BFH v. 10.7.1964, III 120/61 U, BStBl III 1964, 590 m. w. N.
[3] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 357 AO Rz. 10; Koenig/Cöster, AO, 4. Aufl. 2021, § 357 Rz. 14.
[5] Siegers, in HHSp, AO/FGO, § 357 AO Rz. 19.
[6] BFH v. 7.12.1983, I R 177/79, Haufe-Index HI1277723.
[7] Schleswig-Holsteinisches FG v. 5.10.1966, II 229/64, EFG 1967, 187; Bartone, in Gosch, AO/FGO, § 357 AO Rz. 22; Günther, AO-StB 2008, 280 (282).
[8] So auch Becker/Riewald/Koch, RAO/FGO, Band III, 9. Aufl. 1968, § 238 RAO Anm. 2 c).
[12] FG des Saarlandes v. 25.10.1990, 2 K 4/89, EFG 1991, 439 m. w. N.; FG Münster v. 26.5.1999, 10 K 4934/98 Kg, EFG 1999, 1266.

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