Rz. 29

Die Rechtsfolge des § 356 Abs. 2 AO wird ausgelöst, wenn "die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt" ist.

Die Rechtsbehelfsbelehrung ist unterblieben, wenn sie dem Verwaltungsakt nicht beigefügt ist und auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird (s. Rz. 27). Eine dem Verwaltungsakt vorhergehende Rechtsbehelfsbelehrung ist irrelevant und daher ebenfalls als unterblieben anzusehen.[1] Auch eine unverständliche Rechtsbehelfsbelehrung wird wie eine unterbliebene Belehrung behandelt.[2]

 

Rz. 30

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig, wenn sie formelle oder inhaltliche Mängel aufweist.

Solche Mängel sind gegeben, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung die in § 356 Abs. 1 AO vorgeschriebenen Angaben nicht enthält bzw. wenn sie bei der Wiedergabe dieser Angaben unzutreffend bzw. derart unvollständig ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint.[3] Letzteres ist dann der Fall, wenn die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen.[4]

Fehlen also die Belehrung über die Statthaftigkeit des Einspruchs oder der Klage, die Einlegungsbehörde, die einzuhaltende Frist und – jedenfalls nach der hier gegen den BFH vertretenen Auffassung (s. dazu eingehend Rz. 20) – über die Form der Einspruchseinlegung, ist diese Voraussetzung erfüllt, mit der Folge, dass § 356 Abs. 2 AO zur Anwendung kommt.

Wird die Rechtsbehelfsbelehrung z. B. dahin gehend erteilt, dass der Einspruch ausschließlich schriftlich eingelegt werden könne und in der Einspruchsfrist zu begründen sei, so ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig.[5] Auch wenn die Rechtsbehelfsbelehrung eine zu kurze oder zu lange Einspruchsfrist nennt, ist sie unrichtig.[6]

 

Rz. 31

Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung Angaben, die über das von § 356 Abs. 1 AO Geforderte hinausgehen, so müssen diese auch richtig, vollständig und unmissverständlich sein.[7] Ob das der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrung oder die ergänzenden Angaben nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste. Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten gehen dabei zulasten der Finanzbehörde.[8]

Vor diesem Hintergrund wurde in der Rechtsprechung und der Literatur kontrovers darüber diskutiert, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung unvollständig und damit unrichtig war, die nur darauf hinwies, dass der Einspruch nach § 357 Abs. 1 S. 1 AO a. F. schriftlich eingereicht oder zur Niederschrift erklärt werden konnte, ohne auf die in § 87a AO vorgesehene Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form hinzuweisen. Der 10. Senat des Niedersächsischen FG hat diese Frage bejaht.[9] Während diese Entscheidung in der Literatur – und auch an dieser Stelle – Zustimmung gefunden hat[10], sind ihr die übrige finanzgerichtliche Rechtsprechung und schließlich auch der BFH nicht gefolgt.[11] Der BFH verwies vielmehr darauf, es reiche aus, "wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 S. 1 AO wiedergibt".[12] Da dieser Wortlaut im Streitjahr lediglich die Schriftlichkeit und die Niederschriftserklärung nannte, genügte folglich eine Rechtsbehelfsbelehrung, die auf diese Formmöglichkeiten hinwies.

Zwischenzeitlich sind jedoch mit dem "Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften" v. 25.7.2013[13] in § 357 Abs. 1 S. 1 AO nach dem Wort "schriftlich" die Worte "oder elektronisch" eingefügt worden. Rechtsbehelfsbelehrungen in Verwaltungsakten, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1.8.2013 ergangen sind und (überobligatorisch, Rz. 20) Ausführungen zur Form des Einspruchs enthalten, müssen deshalb entsprechend dem neuen Gesetzeswortlaut auch den Hinweis enthalten, dass der Einspruch elektronisch eingelegt werden kann. Fehlt der Hinweis auf eine der Formmöglichkeiten, ist die Rechtsbehelfsbelehrung nach § 356 Abs. 2 AO unrichtig.[14]

 

Rz. 31a

Ein Verwaltungsakt, der neben einer an sich richtigen und vollständigen Belehrung über die Einspruchseinlegung zusätzlich einen Hinweis enthält, wonach der Stpfl. sich auch formlos an die Behörde wenden könne, wenn er mit dem Inhalt des Verwaltungsakts nicht einverstanden ist, ist missverständlich und damit i. S. d. § 356 Abs. 2 AO unrichtig, weil suggeriert wird, dass statt der Anfechtung des Verwaltungsakts mit dem Einspruch auch form- und fristlos Einwände geltend gemacht werden könnten.[15] Eine Rechtsbelehrung ist auch dann unrichtig, weil missverständlich und unklar, wenn sie zwar den Sitz der Einlegungsbehörde anführt, im Briefkopf des Bescheids aber eine postalische Adresse der Behörde genannt wird, die nicht zu dem angegebenen Sitz der Einlegungsbehörde gehört.[1...

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