Rz. 33

Nach § 945 ZPO hat die Partei, die die Arrestanordnung erwirkt hat, für den Fall, dass diese Arrestanordnung von Anfang an ungerechtfertigt war, dem Arrestgegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der Anordnung bzw. dadurch entstanden ist, dass er zur Abwendung der Vollziehung Sicherheit geleistet hat. Diese Schadensersatzpflicht ist unabhängig vom Verschulden. Nach der Entscheidung des BGH[1] ist § 945 ZPO bei ungerechtfertigter Anordnung oder Vollziehung eines Arrests nach § 324 AO entsprechend anzuwenden.[2]

Diese Rechtsanalogie auch zu den §§ 302 Abs. 4 und 717 Abs. 2 ZPO ist m. E. aber schon deshalb unzulässig, weil § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG die Frage des Schadensersatzes bei rechtswidrigem Verhalten von Amtsträgern speziell und abschließend regelt.[3] Der wesentliche Unterschied liegt nur darin, dass § 839 BGB ein Verschulden voraussetzt, also fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten des Amtsträgers erforderlich ist. Für die haftungserweiternde entsprechende Anwendung des § 945 ZPO hätte es m. E. einer ausdrücklichen Regelung in der RAO bzw. AO bedurft. Hiervon hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die seinerzeit geplante Regelung im Staatshaftungsgesetz und darauf, dass durch die o. g. Entscheidung des BGH eine Rechtsunsicherheit nicht zu befürchten sei, ausdrücklich Abstand genommen.[4]

In der Entscheidung des BGH[5] wird ohne Erörterung der Streitfrage § 839 BGB als Rechtsgrundlage des Schadensersatzanspruchs angenommen. Ein amtspflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten ist danach auch dann gegeben, wenn eine erkennbar rechtswidrige Arrestanordnung ohne Prüfung[6] vollzogen wird.

 

Rz. 34

Unabhängig davon, ob man die Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch in der entsprechenden Anwendung des § 945 ZPO oder in § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG sieht[7], muss sich nach § 254 BGB der Stpfl. ein Mitverschulden an der Anordnung und Vollziehung des Arrests anrechnen lassen.[8]

 

Rz. 35

Für den Schadensersatzanspruch ist nach Art. 34 GG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.[9] Dies gilt auch dann, wenn man als Rechtsgrundlage § 945 ZPO analog anwenden will.[10]

[1] BGH v. 25.5.1959, III ZR 39/58, NJW 1959, 1272 unter Aufgabe der Rspr. des RG.
[2] Klein/Brockmeyer, AO, 13. Aufl. 2016, § 324 Rz. 16; Kruse, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 324 AO Rz. 54;Tormöhlen, in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 324 AO Rz. 70.
[3] Bettermann, JZ 1960, 335; Mattern, JZ 1960, 487; O. Schwarz, NJW 1976, 215; O. Schwarz, FR 1983, 181; App, DStZ 1991, 622; Hohrmann, in HHSp, AO/FGO, § 324 AO Rz. 106;Koenig/Zöllner,AO, 3. Aufl. 2014, § 324 Rz. 37.
[4] BT-Drs. VI/1982 zu §§ 307–309.
[5] BGH v. 30.10.1985, III ZR 28/84, HFR 1987, 96.
[7] Vor §§ 78–133 AO Rz. 45.
[8] Vor §§ 78 – 133 AO Rz. 52;Z.z. B. Drohung der Vermögensvernichtung gegenüber der Finanzbehörde; vgl. BGH v. 9.5.1978, VI ZR 212/76, NJW 1978, 2024;Klein/Brockmeyer, AO, 13. Aufl. 2016, § 324 Rz. 18; Kruse, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 324 AO Rz. 58.
[10] Rz. 33; BGH v. 25.5.1959, III ZR 39/58, NJW 1959, 1272; BGH v. 31.1.1963, III ZR 138/61, NJW 1963, 852; ebenso Klein/Brockmeyer, AO, 13. Aufl. 2016, § 324 Rz. 16; Hohrmann, in HHSp, AO/FGO, § 324 AO Rz. 113; Kruse, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 324 AO Rz. 59; a. A. Bettermann, JZ 1960, 335; Mattern, JZ 1960, 487; O. Schwarz, NJW 1976, 215; O. Schwarz, FR 1983, 181, die hier eine "Abgabenangelegenheit" i. S. v. § 347 AO bzw. § 33 FGO annehmen und demgemäß den Finanzrechtsweg für gegeben halten; so auch Klos, INF 1987, 127ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Kanzlei-Edition. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge